Rad-Tragödie: Warum eine Legende erst jetzt spricht

Rad-Tragödie: Warum eine Legende erst jetzt spricht
Rad-Tragödie: Warum eine Legende erst jetzt spricht

Der Tod von Radprofi Gino Mäder hat die Rad-Welt in eine regelrechte Schockstarre versetzt, fassungslose Gesichter im Peloton hinterlassen und eine Diskussion über die Sicherheit der Fahrer ausgelöst.

Mäder war am 15. Juni bei der Tour de Suisse von der Strecke abgekommen, schwer gestürzt und am Vormittag des Folgetages im Krankenhaus seinen erlittenen Verletzungen erlegen. Sein Team Bahrain-Victorious stieg aus der Rundfahrt aus, die folgende Etappe wurde neutralisiert und zu einer Erinnerungsfahrt an Mäder umgestaltet.

Auch einige Landsleute zeigten sich schockiert über den Unfalltod des 26-Jährigen. Die Reaktion einer Schweizer Radgröße jedoch fehlte: Fabian Cancellara. Der 42-Jährige galt als Meister schwerer Eintagesfahrten, gewann die Klassiker Paris-Roubaix und Mailand-Sanremo gleich mehrmals.

Geäußert hat er sich nun erstmalig, fast anderthalb Wochen nach Mäders Tod. Der Grund dafür zeigt eine tiefe Verbundenheit.

Gedenkfahrt für Gino Mäder

Er habe sich vorerst zurückziehen müssen, alle Interviewanfragen abgelehnt. Zu tief saß der Schock über den Tod seines jungen Landsmanns.

Er sei ein toller Radfahrer gewesen, insbesondere aber „ein guter Mensch“, huldigte Cancellara, der zweimalige Olympiasieger im Zeitfahren, Mäder im Gespräch mit dem Schweizer Blick. Am Samstag nahm er an einer Abschiedsveranstaltung teil, die Mäder mit einer Gedenkfahrt und öffentlichen Abschlussfeier bedachte.

Als Cancellara sein erstes Olympiagold 2008 in Peking gewann, war Mäder gerade elf Jahre alt. Auch trennten die Heimatorte der Beiden keine 200 Kilometer.

Cancellara schmerzt der Abschied sehr, auch weil er an der Tour de Suisse, bei der das Unglück passierte, direkt beteiligt war. Als Teamleiter des Teams Tudor verweilte Cancellara an den Zielorten der Etappen.

„Ich war im Ziel der Etappe, also in Oberwil-Lieli. An einem Waldrand. Raphael Meyer, unser CEO, rief mich an. Drei Sekunden später war es still, Worte waren unnötig. Ich spürte eine enorme Traurigkeit, war fassungs- und sprachlos“, erinnerte sich der 42-Jährige exakt an jene Situation.

Auch das Team Tudor brach die Rundfahrt geschlossen ab.

Erst wenige Wochen zuvor hatte Mäder noch den Service Course des Team Tudor in Magglingen besucht. „Es hagelte. Ich habe ihn gefragt, ob er gerne duschen würde. Er war ganz perplex, weil er es nie gewagt hätte, zu fragen“, erinnert sich Cancellara, der sich gar berechtigte Hoffnungen auf eine Verpflichtung des 26-Jährigen mache durfe.

Bei Mäder stand ein Teamwechsel an, sein Vertrag bei Bahrain Victorious lief aus. „Gino wäre auch gerne gekommen. Es schmerzt mich ungemein, dass es nicht geklappt hat“, erklärte Cancellara.

Im Zusammenhang mit Mäders Tod schoss ihm auch eine andere Situation sofort wieder in den Kopf - ein Ereignis vor zwölf Jahren, als Cancellara noch aktiv war.

Cancellara verlor Teamkollege bei der Giro d‘Italia

Damals, 2011, starb Teamkollege Wouter Weylandt auf der dritten Etappe der Giro d‘Italia, noch heute besucht Cancellara dessen ehemalige Freundin. Im Privatleben sei er ohnehin nicht der „große, starke Cancellara, der keine Emotionen zulässt.“

Eher müsse er den Tod Mäders nun als Prozess verarbeiten. „Die Traurigkeit kommt immer wieder, teilweise völlig unerwartet. Aber ich habe auch schon geschmunzelt, als ich an die Gespräche mit Gino zurückgedacht habe“, so Cancellara.

Zwar müsse das Leben weitergehen, aber „irgendwann werde ich in der Lage sein, dieses Kapitel und das dazugehörige Buch ins Regal zu stellen“, das hieße aber nicht, „dass ich es wegwerfen werde.“

Er stellte klar: „Ich werde Gino nie vergessen!“