Trends der WM 2018: Warum Deutschland und Frankreich im Trend liegen
Die WM 2018 hat den Fußball sicherlich nicht in ein Davor und ein Danach geteilt. Sehr wohl erreichten aber manche Trends ihren absoluten Höhepunkt während des Turniers in Russland. Weltmeister Frankreich reitet passenderweise exakt auf dieser Welle.
Standards sind Trumpf
Wir starten mit dem Offensichtlichen. Die Standards bei der WM 2018 wurden bereits ausgiebig auf allen Kanälen diskutiert. Mehr als ein Drittel aller Tore wurde nach ruhenden Bällen erzielt, im Laufe der Vorrunde existierten in dieser Statistik Prozentzahlen jenseits der 50.
Dabei sind Standards kein völlig neuer Trend. Wer zurückdenkt, wird sich an viele Spiele erinnern, die schon vor der WM durch Standards entschieden wurden. Neu ist aber die Erfolgsstabilität: Nie zuvor brachten Einwürfe, Freistöße und Ecken so viel Gefahr mit sich.
Umschaltspiel größer Ballbesitz
Der Weltmeister steht stellvertretend für diesen Trend. Ballbesitzfußball ist nicht mehr zwingend das Mittel der Wahl für Mannschaften mit großer Qualität. Letztlich geht es immer darum, wie die Möglichkeiten der Spieler umgesetzt werden.
Besonders auf Ebene der Nationalmannschaften, die deutlich weniger Training haben als die Teams im Vereinsfußball, ist das Umschalten erfolgsversprechender. Denn guter Ballbesitz braucht enorm viel Zeit, um sich zu entwickeln.
Die vier Teams mit dem durchschnittlich höchsten Ballbesitz scheiterten allesamt früh: Spanien, Deutschland, Argentinien, Saudi-Arabien. Und das obwohl sie sich viele Chancen erarbeiteten. Deutschland und Spanien sind in der Top-5 der abgegeben Schüsse pro Partie. Das Problem: Wenn elf Gegner zwischen dem Schuss und dem Tor stehen, wird ein Treffer eher schwierig.
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Jeder kann Defensive
Anders gestaltet sich das im Thema Defensive. Nahezu jedes Team der WM 2018 konnte auf hohem Niveau verteidigen. Selbst krasse Underdogs waren dazu in der Lage, ein gutes und stabiles Pressing in verschiedenen Höhen auf dem Feld zu spielen.
Dieser Trend dürfte auch einer der Gründe sein, warum die WM 2018 aufgrund des spielerischen Niveaus keine Jubelstürme ausgelöst hat. Die Partien wurden defensivtaktisch auf einem derart hohen Niveau ausgetragen, dass das große Spektakel ausblieb. Selbst das Finale war trotz sechs Treffern eher eher zäh.
Alleskönner haben mehr Erfolg
Umschaltspiel, Ballbesitz, Defensive, Standards: Die WM 2018 hat auch gezeigt, dass die Teams es sich nicht mehr erlauben dürfen, nur in einem Bereich stark zu sein. Wer Titel gewinnen will, muss von allem etwas können und dazu noch eine Prise Glück sowie Moral mitbringen.
Frankreich kombinierte eine gute Defensive mit schnellem Umschaltspiel und herausragenden Individualisten. Dazu kamen starke Standards, hier und da etwas Glück, ein unglaublich starkes Gegenpressing und nervenstarke Spieler.
Stars sind nicht alles
Was Frankreich besonders gut umsetzte, war die Integration von diversen Stars in ein Gesamtkonzept. Noch immer machen einzelne Spieler den Unterschied. Ob es nun Kylian Mbappe, Luka Modric oder Kevin de Bruyne sind: Individualisten wie sie sind das Salz in der Suppe des modernen Fußballs.
Aber ohne ein entsprechendes Team können sie kaum funktionieren. Lionel Messi und Cristiano Ronaldo konnten ihre Teams trotz aller Bemühungen nicht über das Achtelfinale hinaus führen. Die WM 2018 zeigte: Wer Stars hat, muss sie auch ins Team einfügen, sonst verpufft ihr Effekt.
Auch 19-Jährige haben Erfahrung
Während Spieler wie Messi oder Ronaldo womöglich ihre letzte WM erlebt haben, stehen andere erst in den Startlöchern. Mbappe ist so einer. Der 19-Jährige ist nun Weltmeister und bestätigt damit einen ganz besonderen Trend: Das Alter sagt nur noch wenig aus.
Die heutigen Talente haben derart viel Erfahrung, dass sie mit 19, 20, 21 Jahren schon ähnlich souverän auftreten wie ihre Ü30-Mitspieler. Die Ausbildung ist entscheidend. Wer bei Top-Klubs lernt, kann auch schnell vom Talent zum Leistungsträger aufsteigen. Siehe BVB-Neuzugang Achrif Hakimi (19) bei Marokko oder Aleksandr Golovin (22) bei Russland.
Kleine Dinge, große Wirkung
Nicht zuletzt das DFB-Team hat unter Beweis gestellt, dass im Fußball inzwischen noch viel mehr ineinandergreifen muss als nur die elf Männer auf dem Platz. Kleine Störfeuer begleiteten jede Nationalmannschaft, weil im Heimatland jede Regung mit Argusaugen überwacht wird.
Der Fußball ist gläsern und verschlossen zugleich, das erfordert gutes Krisenmanagement. Wer das nicht schafft, bemerkt schnell sportliche Auswirkungen. Siehe Erdogan-Affäre, siehe Spaniens Trainerwechsel, siehe Mexikos Escort-Party, siehe das Gezeter um Neymars Dramatik.
Vorbildliche Schiedsrichter
Das WM-Finale ausgeklammert haben die Schiedsrichter und ihre (Video-)Assistenten bei der WM 2018 einen hervorragenden Job gemacht. Insbesondere mit Blick darauf, dass der Fußball immer schneller und immer schwerer zu beurteilen wird, habe die Unparteiischen extrem gut gepfiffen.
Auch die Einführung des Videobeweises konnte nach dem chaotischen Confed Cup und der Premierensaison in der Bundesliga einige Kritiker von sich überzeugen. Nicht zu vergessen die angepassten Laufzeiten der Nachspielzeit. Fünf Minuten waren eher die Regel als drei Minuten.
Deutschland verpasst das Achtelfinale. #DieMannschaft #ZSMMN #WM2018 #KORGER pic.twitter.com/hsHxTq1j9g
— Die Mannschaft (@DFB_Team) June 27, 2018
Money makes the World Cup go round
Ganz sicher kein Trend der allein der WM 2018 gebührt, wie in den letzten Ausgaben zuvor setzte das Turnier aber erneut Maßstäbe in Sachen Vermarktung, Werbung und Sponsoring. Schnell wurden aberwitzige Summen ausgesprochen, wenn aus der falschen Wasserflasche getrunken wurde oder die falschen Socken den Weg ans unwissende Fußballerbein fanden.
Nicht zu vernachlässigen die VISA-Kampagne mit Zlatan Ibrahimovic, die Mercedes-Werbung mit Mario Götze und noch viele mehr. Die WM ist das größte Marketing-Event der Welt. Das beginnt bei grotesk hässlichem Merchandise und zieht sich weiter bis hin zu “Die Mannschaft”.
Der Fußball hebt sich ab
Eng in Verbindung zur Werbung steht die Tatsache, dass sich der Fußball WM für WM weiter vom normalen Fan entfernt. Klar dürfen – eher müssen – die begeisterten Zuschauer für Stimmung, Feeling und schöne Bilder sorgen, am Ende sind sie aber schon lange nurmehr Kunden und keine Fans.
Die WM 2018 könnte die Letzte ihrer Art gewesen sein. Es folgt ein Winter-Turnier 2022 in Katar (und vielleicht Saudi Arabien), es folgen die Nations League und offenbar auch eine Aufstockung der WM auf 48 Teams. Hier ist ganz klar: Der Trend hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.