Tuchels Risiko-Rotation

Tuchels Risiko-Rotation

Muss man das verstehen? Auf acht Positionen passte Thomas Tuchel seine Mannschaft vor dem Revierderby im Vergleich zum EL-Match gegen Liverpool an. Vor einem der emotional wichtigsten Spiele der Saison. Mit Restchancen auf die Meisterschaft. In dem Wissen, dass ein Punktverlust nahezu gleichbedeutend mit der vorzeitigen Kapitulation im Rennen um die Schale wäre.

Der BVB-Trainer glänzte in den letzten Wochen und Monaten als Meister der Belastungssteuerung, als kluger Verwalter von Leistung, der selbst verletzungsanfällige Spieler wie Marco Reus sehr gut durch die Saison bringt. Mit dem Ziel, auch in der entscheidenden Phase der Saison auf eine frische, hungrige Mannschaft bauen zu können.

Diesmal könnte er es damit jedoch zu weit getrieben haben. Das Ausmaß der Rotation am Sonntag ist ein hochriskantes Spiel, das Tuchel  noch eine lange Zeit verfolgen könnte.

Tuchel öffnet durch die Rotation gleich mehrere Baustellen

Zum Einen ist das Revierderby auch im Jahr 2016 noch das sportliche Großereignis der Bundesligasaison, für BVB-Fans. Ein Sieg in Gelsenkirchen bedeutet vielen Anhängern immer noch mehr als Titel. Diese Realität weitgehend zu missachten, mag aus rationalen Gesichtspunkten nachvollziehbar sein, ist aber vor allem in der emotional aufgeladenen Atmosphäre rund um das Derby schwer zu vermitteln.

Zum Anderen ist die Meisterschaft durch das Unentschieden wohl endgültig zu Gunsten der Bayern entschieden. Drei Niederlagen wird sich der Rekordmeister nicht mehr erlauben. Und damit setzt Tuchel alles auf die Pokalwettbewerbe – allen voran die Europa League.

Auf diese Weise läuft der bisher vom Erfolg verwöhnte Trainer Gefahr, die gesamte Saison innerhalb einer Woche zu verspielen. Die Mannschaft ist am Donnerstag zum Siegen verdammt. Das Spiel an der Anfield Road entscheidet, ob sich der BVB die letzten Wochen der Saison weiter am Limit bewegen darf oder nur noch locker ausrollen braucht – und damit auch, wie Tuchels erste Saison bei einem europäischen Topclub letztlich wahrgenommen wird.