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Der umstrittene US-Guru hinter dem neuen Fabel-Rekord

Der umstrittene US-Guru hinter dem neuen Fabel-Rekord
Der umstrittene US-Guru hinter dem neuen Fabel-Rekord

Es ist ein Weltrekord, der die Leichtathletik-Welt im Olympia-Jahr in Aufruhr versetzt. Mal wieder. (NEWS: Alles zu den Olympischen Spielen)

Nachdem unter anderem auch schon US-Kugelstoßer Ryan Crouser mit einer Aufsehen erregenden Bestmarke verblüfft hat, ist nun Sydney McLaughlin ins Scheinwerferlicht gelaufen (War Ryan Crousers irrer Rekord ungültig?).

21 Jahre alt, schon seit Jahren als Zukunft der US-Leichtathletik gepriesen - und nun die erste Frau der Geschichte, die die 400 Meter Hürden unter 52 Sekunden gelaufen ist.

McLaughlins Fabelzeit bei den US-Trials in Eugene, bei denen sie auch die bisherige Weltrekordlerin Dalilah Muhammad abhängte, ist ein dickes Ausrufezeichen vor den Spielen in Tokio.

Und das rund ein Jahr nach einem Trainerwechsel, der in der Szene für Gesprächsstoff gesorgt hat: Der Jungstar wird seit kurzem gecoacht von einem alten Bekannten, der in den vergangenen Jahrzehnten schon einige Superstars hervorgebracht hat - aber auch von Schatten begleitet wird.

Bob Kersee schon Trainer von Florence Griffith-Joyner

Seit dem vergangenen Sommer trainiert McLaughlin unter Bob "Bobby" Kersee, dem Mann, der berühmt geworden ist als der Trainer von Florence Griffith-Joyner und seiner Ehefrau Jackie Joyner-Kersee. Zu seinen weiteren prominenten Schützlingen zählen unter anderem Gail Devers und die sechsmalige Olympiasiegerin Allyson Felix - die nun auch Trainingspartnerin McLaughlins ist.

Kersee löste Joanna Hayes ab, die 100-Meter-Hürden-Olympiasiegerin von 2004. McLaughlin lernte ihn an der Universität UCLA kennen, wo er seit langem als Trainer aktiv ist. "Er hat mir für eine Weile bei der Hürdentechnik geholfen und die Chemie hat gestimmt, es hat irgendwie geklickt", berichtete McLaughlin.

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Das Top-Talent war ein großer Fang für den in Panama geborenen Startrainer, der im früheren Leben unter anderem Seemann und Prediger war: Die in New Brunswick/New Jersey geborene aus einer Leichtathletik-Familie stammende McLaughlin gilt als potenzielles Aushängeschild der Zukunft.

Sydney McLaughlin machte großen Leistungssprung

Schon bei Olympia 2016 war sie als 17-Jährige dabei, bei der WM 2019 in Doha war sie Vize-Weltmeisterin hinter Muhammad und Teil der Gold-Staffel über 4x400 Meter. Sie ist zudem prominente Werbeträgerin des milliardenschweren Sportartikel-Unternehmens New Balance.

Der seit jeher als Workaholic und manische Perfektionist bekannte Kersee verordnete McLaughlin einige unorthodoxe Maßnahmen, ließ sie über die ungewohnten 60- und 100-Meter-Distanzen starten und bewusst mit dem "falschen" linken Fuß voranlaufen.

Unter den ungewohnten Bedingungen sollte sie sich zwingen, anders an ihrer Technik zu arbeiten, um die für sie gewohnte Strecke zu perfektionieren. Im Vergleich zu Doha hat McLaughlin ihre damals persönliche Bestleistung mittlerweile um 33 Hundertstelsekunden getoppt, den Rekord von Muhammad um 26.

Vorwürfe nach Skandal um Ben Johnson

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Athletin unter Kersee einen großen Leistungssprung hingelegt hat - wobei dessen Erfolgsbilanz auch Argwohn geweckt hat.

Gegen seine 1998 früh verstorbene Schwägerin Griffith-Joyner gab es diverse Doping-Verdachtsmomente - auch Griffith-Joyner hatte vor ihren großen Auftritten in Seoul 1988 und ihren bis heute unübertroffenen Rekorden über 100 und 200 Meter eine gewaltige Zeiten-Steigerung hingelegt.

Victor Conte, zentralen Figur des Skandals um das kalifornische Dopinglabor Balco, das 15 Jahre aufflog, hat Kersees Umfeld wiederholt selbst trüber Umtriebe beschuldigt. Er behauptete in diversen Interviews, das vor Seoul mehrere positive Dopinfälle in der US-Leichtathletik vertuscht worden wären, unter anderem von Griffith-Joyner und Joyner-Kersee.

Bob Kersee selbst geriet 1989 im Windschatten des großen Olympia-Skandals um den als Doper entlarvten 100-Meter-Sieger Ben Johnson ins Zwielicht. Bei einer sich daraus ergebenden Regierungsanhörung in Johnsons Heimat Kanada belastete Ex-Schützling Angela Bailey Kersee.

"Er wusste nicht, wie er mich trainieren soll, weil ich dopingfrei war", behauptete die Kanadierin damals, die eine Weile unter Kersee an der UCLA trainiert hatte: Kersees Traininsgregime sei so hart, dass es ohne Doping nicht zu überstehen gewesen sei. Bailey meinte, dass ihr so wenig Regenerationszeit gewährt worden sei, dass die Einnahme von Steroiden - die einen regenerativen Effekt auf den Körper haben - faktisch der einzige Weg gewesen wären, durch Kersees Programm zu kommen.

"Ich habe dem Prozess vertraut"

Konsequenzen hatten die Vorwürfe und Verdächtigungen gegen Kersee nie, juristischen Ärger bekam er nur mehrfach wegen Steuerangelegenheiten. In der US-Leichtathletik-Szene ist Kersee ein begehrter Erfolgsarchitekt geblieben.

"Ich habe dem Prozess vertraut, den er eingeleitet hat", sagte McLaughlin nach ihrem Rekordlauf: "Da gab es viele Dinge, die man einfach nicht kommen sah. Aber man hat diesen kindlichen Glauben, das Vertrauen, dass am Ende alles gut ausgeht. Bobby ist wirklich gut darin, ihn zu vermitteln."