Der ungeliebte Champion - darum mögen so viele Djokovic nicht

"Er ist der Bösewicht, der nichts falsch gemacht hat" - das sagte der siebenmalige Grand-Slam-Champion John McEnroe bereits vor Jahren über Novak Djokovic.

Zuvor war er bei den US Open 2015 wieder einmal ausgepfiffen worden, als er im Endspiel auf Roger Federer traf. In Endspielen gegen andere Spieler als Federer wird Djokovic zwar seltener ausgepfiffen, den Großteil des Publikums hat er aber selten auf seiner Seite.

Und auch wenn es wahrscheinlich ist, dass Djokovic in ein paar Jahren am Ende seiner Karriere der erfolgreichste Spieler aller Zeiten sind wird, ist es noch wahrscheinlicher, dass dem Serben auch dann nicht die Herzen der Massen zufliegen werden.

Publikum beklatscht Fehler von Djokovic

Beim Wimbledon-Endspiel gegen Federer wurde dies nun einmal mehr deutlich. Das sonst so respektvolle Publikum bedachte spektakuläre Punktgewinne von Djokovic oft nur mit höflichem Applaus und beklatsche teilweise sogar seine Doppelfehler.

Es mag verständlich sein, dass die Mehrheit der Zuschauer dem 37-jährigen Federer, der Tennis wie kein zweiter Spieler zelebriert, die Daumen drückt - doch mit keinem Gegner Federers springt das Publikum um wie mit Djokovic.

Doch warum ist das so? Der 32-Jährige engagiert sich seit Jahren sozial, leistet sich keine Skandale und gilt als liebevoller Familienvater. Er selbst hatte es in seiner Kindheit nicht leicht und musste als 12-Jähriger während der Bombenangriffe der Nato 1999 viele Nächte in einem Schutzbunker verbringen.

Djokovic kämpft mit schlaflosen Nächten

Djokovic hielten die oftmals schlaflosen Nächte dort aber nicht davon ab, am Traum vom Tennisprofi festzuhalten und weiter zu trainieren. Normalerweise zieht so eine bewegende Geschichte Fans an – doch bei dem Serben ist dies anders und da spielen viele Aspekte eine Rolle.

Auch wenn er es gerne anders sieht, trägt er eine Mitschuld daran auch selbst. Djokovic hat sich in jungen Jahren nicht immer von seiner besten Seite gezeigt. Das ständige Motzen und Werfen seines Schlägers - auch nach guten Aktionen des Gegners - brachten ihm wenig Sympathien ein.

Allerdings war auch der junge Federer in dieser Hinsicht kein Kind von Traurigkeit. Da Djokovic aber etwas jünger durchstartete, stand er früher im Mittelpunkt der Öffentlichkeit und wurde dementsprechend kritischer beäugt.

Zoff mit Roddick bei US Open

Djokovic hatte zudem den Hang dazu, Partien schnell aufzugeben, wenn es nicht so lief und er einen kleinen Schmerz verspürte. Mit Andy Roddick kam es deshalb 2008 zu einer Auseinandersetzung bei den US Open, die ihm einige US-Amerikaner bis heute nicht verziehen haben.

Roddick hatte vor dem Aufeinandertreffen mit Djokovic in seiner gewohnt flapsigen Art darüber gescherzt, dass sich dieser in seinem Achtelfinalspiel ungefähr mit 16 Verletzungen rumschlagen würde und entweder ärztliche Hilfe rufen sollte oder der tapferste Spieler aller Zeiten sei.

Djokovic reagierte erst sportlich und legte dann im Siegerinterview nach. "Wisst ihr, Andy hat gesagt, ich habe 16 Verletzungen? Offensichtlich ja nicht", sagte er schnippisch, als er gerade den Local Hero geschlagen hatte.

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Das Publikum reagierte mit Buhrufen, aber obwohl der Fragensteller Djokovic beschwichtigen wollte, legte dieser sogar nach: "Sie sind doch sowieso gegen mich, weil ich alles vortäusche. Es ist nicht nett zu sagen, dass ich 16 Verletzungen habe und sie vortäuschen würde."

Beinahe Prügelei in der Kabine

Roddick verriet später, dass er sich in der Kabine einmal mit einem Spieler fast geprügelt hätte, dessen Name sich auf "Schmovak Schmokovic" reimt. Dabei hatte Roddick diesen gegen einen Kleiderschrank geschubst, ehe er merkte, dass der Betreuer von "Schmokovic" kräftig aussah.

Was viele wie auch Roddick an der Reaktion von Djokovic störte: Er selbst machte sich nur zu gerne über andere Spieler lustig und äffte bei Trainingseinheiten oder Show-Veranstaltungen Aufschlagbewegungen und Rituale unter anderem von Rafael Nadal und Maria Sharapova nach.

Viele legten ihm diese Aktionen als arrogant und respektlos aus, zumal Djokovic damals noch nicht die ganz großen Titel gewonnen hatte. Djokovic rechtfertigte seine Aktionen damit, dass dies nur ein harmloser Spaß sei. Doch warum reagiert er dann so dünnhäutig, wenn Roddick ihn einmal auf den Arm nimmt?

Im Laufe seiner Karriere verzichtete er weitgehend auf diese Nachahmungen, nur sein Meckern auf dem Platz blieb. Auch neigt er bis heute dazu, körperliche Schmerzen für alle klar sichtbar zu zeigen – so halten sich die Vorwürfe, dass dabei auch oft viel Show dabei ist.

Federer und Nadal teilen Fans auf

Dass Djokovic die Gunst der Masse auch mit steigendem Erfolg nicht auf seine Seiten ziehen konnte, liegt nicht nur an ihm. Er hatte ein anderes Problem: Federer und Nadal hatten schlichtweg so gut wie alle Tennis-Fans bereits für sich beansprucht.

Die Fans waren entweder Team Roger - der Spieler, der das eleganteste Tennis spielte und den Sport jahrelang dominierte hatte - oder Team Nadal – der Spieler, der der Dominanz von Federer ein Ende bereitete und mit seinem Krafttennis für unfassbare Ballwechsel sorgte.

Für den konstant gut spielenden Djokovic blieb kein Platz in der Gunst der Fans. Er war eher der böse Eindringling, der die Final-Duelle von Federer und Nadal verhinderte. "Er kam zu einer Party, die die Roger-und-Rafa-Party war - und wurde zum Spielverderber", sagte sein Ex-Trainer Boris Becker bei der BBC.

Keine Freundschaft zu den Stars

Auch im Umgang untereinander wurde Djokovic mit Federer und Nadal nie richtig warm. Während Federer und Nadal ein freundschaftliches Verhältnis haben und beim Laver Cup sogar zusammen feierten, stand Djokovic immer außen vor.

Er äußerte sich zwar stets respektvoll über seine beiden Rivalen, doch mehr auch nicht.

In diesem Jahr zog sich Djokovic sogar den Zorn von Nadal zu, weil er als Spielerpräsident die beiden nicht zu ihrer Meinung rund um den damaligen ATP-Präsidenten Chris Kermode befragte. Djokovic wurde unterstellt, dass er im Alleingang für dessen Abgang sorgte.

Becker fordert Respekt für Djokovic

Beim Kampf um die Gunst der Fans hat Djokovic lange Zeit viel versucht.

Seine teils pathetischen Gesten, mit denen er sich beim Publikum bedankte, kamen aber nicht bei allen gut an. Inzwischen scheint Djokovic daher das Schicksal des ungeliebten Champions - im Vergleich zu Federer und Nadal - akzeptiert zu haben.

Selbige Akzeptanz sollten auch die Tennis-Fans zeigen, selbst wenn Djokovic die Rekorde ihrer Favoriten womöglich brechen wird, forderte Becker vor Djokovics jüngstem Wimbledon-Sieg: "Einen viermaligen Champion (inzwischen fünfmalig, Anm. d. Red.) musst du ein wenig mehr respektieren. Die Leute müssen sich jetzt der Größe von Novak Djokovic bewusst werden."