Hier ist uns Spanien um Jahre voraus

Die Meldungen ähnelten sich, die nach der Kader-Bekanntgabe für die WM aus Deutschland und Spanien an die Öffentlichkeit gelangten.

In Spanien meldete sich Sergio Ramos zu Wort und schrieb bei Twitter über sein Aus für Katar. „Es wäre meine fünfte (WM) gewesen, leider muss ich sie mir zu Hause anschauen.“

Genauso wie dem 36 Jahre alten Abwehr-Haudegen aus Spanien ging es seinem deutschen Kollegen Mats Hummels. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der WM)

Auch für den altgedienten Dortmunder Recken war kein Platz mehr in der Nationalmannschaft. Auch er äußerte sich öffentlich, über seinen Instagram-Account teilte er mit: „Wenig überraschend ist das eine der größten Enttäuschungen meiner Karriere.“

In Spanien kräht kein Hahn mehr nach Ramos

Hier aber enden auch schon die Gemeinsamkeiten der beiden ehemaligen Weltmeister vor dem direkten Duell am Sonntag (ab 20 Uhr im LIVETICKER).

Während in Deutschland nach dem blamablen 1:2 gegen Japan schon erste Zweifel an Hummels‘ Nicht-Berücksichtigung laut werden, kräht in Spanien kein Hahn mehr nach Ramos. (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)

In Spanien nämlich haben sie derzeit, wenn überhaupt, nur ein Problem. Wie dämpft man die überbordende Euphorie nach dem 7:0-Statement gegen Costa Rica?

Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus als Titelverteidiger 2014 in Brasilien und der Niederlage vor vier Jahren im Achtelfinale gegen Russland ist nun der Umbruch bei der „Furia Roja“ endgültig vollzogen.

Das gilt für die Abwehr schon seit ein paar Jahren - mit Aymeric Laporte und Rodri sind die Nachfolger von Ramos und Gerard Piqué, der ebenfalls für Katar nicht mehr berücksichtigt wurde, längst gefunden. (Kommentar: Das ist auch Flicks Niederlage)

Jugend übernimmt bei Spanien

Mittlerweile aber hat sich in Spanien auch in anderen Mannschaftsteilen die Jugend endgültig durchgesetzt. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)

Im zentralen Mittelfeld wirbeln mit Gavi (18) und Pedri (19) zwei Teenager, auf den offensiven Außenbahnen ist Leipzigs Dani Olmo mit 24 Jahren schon der Oldie.

Und im Sturmzentrum hat der 26-Jährige Marcos Asensio Sturm-Routinier Álvaro Morata mittlerweile auch aus der Startelf verdrängt.

Gegen Costa Rica trafen beide - genauso wie Doppelpacker Ferran Torres (22) und Gavi.

Besonders Gavi hat gegen die Mittelamerikaner gezeigt, warum er zuletzt bei der „Ballon-d‘Or“-Gala als bester U21-Spieler der Welt ausgezeichnet wurde.

Nicht nur sein Volley-Treffer zum 5:0 war eine Augenweide. Das Juwel vom FC Barcelona bestach auch durch schnelle Drehungen und Finten sowie eine für sein Alter geradezu unglaubliche Spielintelligenz.

Gavi ist mit seinen 18 Jahren und 110 Tagen nun jüngster WM-Torschütze seit dem großen Brasilianer Pelé.

Enrique sagt Gavi große Zukunft voraus

„Er kann einer der Stars im Weltfußball werden“, betonte sein Nationaltrainer Luis Enrique. Der Umbruch bei den Spaniern lässt sich aber auch am Coach und dessen Spielstil ablesen. (BERICHT: Enrique legt den Finger in die deutsche Wunde)

Das von seinen Vorgängern Luis Aragones und Vicente del Bosque etablierte Tikki-Takka-System mit viel Ballbesitz und Spielkontrolle hat Enrique nun veredelt und weiterentwickelt.

Sein Team praktizierte gegen Costa Rica nicht nur die „sterilen Ballberührungen“, wie es die Zeitung As ausdrückte. „Die ständigen und fast immer präzisen Kombinationen zwischen den spanischen Spielern waren immer von der Absicht begleitet, das Tor von Keylor Navas zu suchen.“

Wenige Stunden vor den Spaniern war auch die deutsche Mannschaft mit dem Anspruch auf das Feld gegangen, den Gegner mit präzisen Ballstafetten auseinanderzunehmen.

Es ist ihr gegen Japan - zumindest in Ansätzen - nur bis zur 65. Minute gelungen. Was danach passierte, erinnerte kaum noch an den eigenen Anspruch, Spiel und Gegner zu dominieren.

Nimmt man dieses Spiel als Maßstab, ist Spanien dem DFB in der Entwicklung um Jahre voraus.

Was auch daran lag, dass die jungen deutschen Spieler eben noch nicht so reif agierten wie ihre spanischen Altersgenossen. Viele fragten sich nach der Wahl Gavis zum besten Youngster, warum diesen Preis nicht Jamal Musiala (19) vom FC Bayern gewann.

Das hat Gavi Musiala voraus

In Katar am Mittwoch wurde zumindest zeitweise die Antwort darauf gegeben. Während Gavi nicht nur zauberte, sondern auch effizient und mit viel Übersicht agierte, lief sich Musiala das eine oder andere Mal fest in der vielbeinigen japanischen Abwehr.

Youssoufa Moukoko, der andere hoch veranlagte Offensivkünstler der Deutschen, wurde erst spät eingewechselt und hatte viel zu wenig Zeit, seine Stärken zu zeigen.

Noch entscheidender aber waren die Unzulänglichkeiten in der deutschen Abwehr, wo sich Niklas Süle und Nico Schlotterbeck von einem langen Ball so sehr düpieren ließen, dass Takuma Asano zum Siegtreffer einschießen konnte.

Ob mit Hummels dieses Desaster zu verhindern gewesen wäre, kann niemand beantworten.

Feststeht hingegen, dass Spanien seinen Umbruch nach dem Debakel von 2014 erfolgreich abgeschlossen hat. Die Deutschen indes scheinen auf diesem Weg irgendwo stecken geblieben zu sein.

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