Warum van Gerwen seine schlechteste Saison spielt

Dass es nicht der Tag von Michael van Gerwen sein sollte, deutete sich bereits bei seiner zweiten Aufnahme im Match gegen Peter Wright an. Sein zweiter Pfeil blieb im Schaft des ersten stecken, ein sogenannter "Robin Hood".

Dieser Pfeil wird nicht gewertet, da seine Spitze die Scheibe nicht berührt hat. Dieses Missgeschick passierte dem Weltranglistenersten auffällig oft in den vergangenen Tagen.

Doch das ist nicht der Hauptgrund, warum van Gerwen die schlechteste Saison in der Unibet Premier League Darts seiner Karriere spielt und gegen Wright 1:8 unterging – die höchste Pleite in seinen acht Jahren in der Königsklasse.

"Er wirkt nicht stabil, er hat starke Schwankungen", analysiert Darts-Profi Max Hopp, der am Donnerstagabend (Unibet Darts Premier League: 14. Spieltag ab 20 Uhr LIVE im TV auf SPORT1, im LIVESTREAM und LIVETICKER) wieder als TV-Experte fungiert, im Gespräch mit SPORT1.

Pleite gegen Whitlock beim World Matchplay

Das belegen auch die nackten Zahlen: Van Gerwens Drei-Dart-Average von 91,54 Punkten und seine Doppelquote von 14,29 Prozent (1/7) gegen Wright waren die schlechtesten Werte, die er in dieser Saison ans Board gebracht hat.

Dass er mit 99,32 Punkten von allen Spielern den drittbesten Average seit Ligastart hat, zeigt auch, dass er sein A-Game immer wieder zeigen konnte.

Auffällig ist sein Leistungsabfall seit der Corona-Unterbrechung. Beim World Matchplay im Juli scheiterte er überraschend in der zweiten Runde an Simon Whitlock, seit dem Restart in der Premier League hat er nur drei von sieben Partien für sich entschieden.

"Ihm fehlt ein bisschen das Publikum, daraus hat er immer zusätzliche Energie gezogen", begründet Hopp den Einbruch bei MvG: "Ihm fehlt es, wenn alle sein Lied singen. Das motiviert einen als Spieler, das beflügelt und hat natürlich auch Einfluss auf den Gegner: Wenn die Zuschauer van Gerwen besingen, fühlt sich ein Glen Durrant vielleicht nicht so sicher."

Die PDC sorgt in der Halle in Milton Keynes zwar für Fangesänge vom Band, jedoch sind es keine Geräusche, die individuell auf die Stars zugeschnitten sind.

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Turnierplan kommt van Gerwen nicht entgegen

Ein weiterer Faktor, der sich bei van Gerwen stärker auswirkt als bei anderen Spielern, ist der wegen Corona stark veränderte Wettkampfkalender. Mehrere Monate lang gab es keine Turniere, für einen Vielspieler wie MvG alles andere als ein Vorteil.

"Dass momentan nicht so viele Events stattfinden, ist für ihn ein Nachteil, da er nicht in seinen Rhythmus kommt", erklärt Hopp und konkretisiert: "Van Gerwen war bei den meisten Turnieren der Sieger und hat somit von allen die meisten Pfeile geworfen. Das macht sich jetzt bemerkbar."

Normalerweise ist "Mighty Mike" der Spieler, der über ein Jahr gesehen mit die meisten Turniere spielt – und sehr viele davon gewinnt. Diese Saison fehlt ihm diese Wettkampfpraxis offensichtlich.

Hopp lobt Durrant und Aspinall

Hinzu kommt, dass die Konkurrenz immer stärker wird. "Spieler wie Durrant oder Aspinall sind gewachsen. Van Gerwen merkt auch, dass die Leistungsdichte immer größer wird. Andere Spieler holen auf", fügt die deutsche Nummer eins im Darts hinzu.

Insbesondere auf psychologischer Ebene hat sich die Situation für van Gerwen verändert. "Er ist nicht mehr durchweg das Maß aller Dinge. Er ist nicht mehr so unantastbar, wie er es in den letzten Jahren war", sagt Hopp: "Van Gerwen ist es gewohnt, zu dominieren. Jahrelang ist ihm keiner gefährlich geworden."

Trotz der historischen Pleite gegen den Weltmeister hat der 31-Jährige immer noch alle Chancen, den Sprung in die Playoffs zu schaffen. Es wäre das erste Mal seit seinem Debüt im Jahr 2013, sollte van Gerwen das Halbfinale der Premier League verpassen.

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Schweres Restprogramm in der Premier League für MvG

"Es kann passieren, dass van Gerwen es nicht in die Playoffs schafft. Andererseits kann er das Ruder auch jederzeit rumreißen", schätzt Hopp die Situation ein. Richtungsweisend sei das Duell mit Glen Durrant am Donnerstag.

An den letzten drei Spieltagen bekommt es van Gerwen mit Tabellenführer Durrant, dem Zweitplatzierten Gary Anderson und Schlusslicht Daryl Gurney zu tun. In der Hinrunde hatte er nur zwei Punkte aus diesen Matches geholt – beide gegen den Nordiren.

Egal was MvG in den ausstehenden drei Partien macht: Es ist schon jetzt die schwächste Premier-League-Saison seiner Karriere. Er kann maximal noch auf 20 Punkte kommen, bisher waren 23 sein Minimum.

Und dass der fünfmalige Champion des Wettbewerbs die Gruppenphase erstmals nicht als Sieger abschließt, ist nur noch rein theoretisch zu verhindern.