Darum verdrängt Hülkenberg Schumacher

Für die deutschen Fans ist es zumindest ein kleiner Trost: Zwar endet neben Sebastian Vettels (35) Karriere am Saisonende vorläufig auch die Formel-1-Zeit von Mick Schumacher. (NEWS: Mick über F1-Aus informiert)

Immerhin setzt dessen Haas-Rennstall bei der Nachfolge aber wieder auf einen heimischen Piloten: Nico Hülkenberg (35) feiert 2023 sein F1-Comeback, Deutschland bleibt also in der Königsklasse vertreten. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)

Warum aber vertraut das Team von Günther Steiner fortan lieber auf Schumachers zwölf Jahre älteren Landsmann und beendet die Zusammenarbeit mit Mick schon nach zwei Jahren wieder?

Schumi Jr. zieht mit seinem großen Namen schließlich nicht nur Sponsoren an, nach holprigem Saisonstart zeigte er sich zuletzt mehrfach formverbessert und stellte sein Potenzial immer öfter unter Beweis.

Schumacher: Haas-Bosse ginge Geduld aus

Doch genau dieses Potenzial wurde mehr und mehr zu Schumachers Problem, denn den Verantwortlichen ging letztlich einfach die Geduld aus: Haas will Resultate, jetzt, sofort. (DATEN: Die Fahrerwertung der Formel 1)

Am besten zeigte sich das am Wochenende in Brasilien: Wenn sich einmal die seltene Gelegenheit für das Mittelfeldteam bietet, um zu glänzen, will man diese beim Schopfe packen.

Schumi-Teamkollege Kevin Magnussen gelang das. Als die Favoriten am Freitag patzen, holte er sensationell die Pole für den Sprint. Schumacher beendete dasselbe Qualifying als Letzter. (NEWS: Ein Team, zwei Welten)

Steiner entscheidet sich für Sicherheit

Die Entscheidung gegen den 23-Jährigen war da freilich längst gefallen: Und das für einen, der schon bewiesen hat, dass er es Magnussen gleichtun kann. 2010 holte Hülkenberg im unterlegenen Williams ebenfalls eine Pole-Position, ebenfalls bei Mix-Bedingungen, ebenfalls in Interlagos.

2023 hat Günther Steiner nun zwei verlässliche Punktelieferanten im Team: Hülkenberg schaffte in jeder seiner vollständigen F1-Saisons mindestens sieben Punkteplatzierungen und damit genau so viele wie Magnussen anno 2022. Zum Vergleich: Schumacher gelang dieses Kunststück bisher nur zweimal.

Mit 181 Grand-Prix-Starts Erfahrung, erhoffen sich die Verantwortlichen von Hülkenberg mehr Konstanz, zumal der 35-Jährige noch ein paar gute Jahre im Tank haben sollte: Dass Alter nicht vor Leistung schützt, beweisen in der Formel 1 gerade Lewis Hamilton (37) und Fernando Alonso (40).

Hülkenberg überzeugt als Ersatzpilot

In der Szene genießt Hülkenberg, der 2014 für Porsche auf Anhieb die legendären 24 Stunden von Le Mans gewinnen konnte, jedenfalls einen exzellenten Ruf. Zuletzt vornehmlich als Feuerwehrmann und Ersatzpilot, wenn mal wieder ein Fahrer mit Covid ausfiel.

Für Racing Point und Aston Martin kam der Deutsche in den vergangenen zwei Saisons so zu vier Einsätzen, konnte dabei stets auf Anhieb überzeugen. Seine letzte Saison als Stammpilot (2019 für Renault) liegt allerdings schon drei Jahre zurück.

In der Zwischenzeit ist der Emmericher Vater geworden, genoss ein bisschen das Leben abseits vom „Hamsterrad Formel 1″, wie er es selbst zuletzt beschrieb. Doch nach der Babypause juckt es den „Hulk“ noch einmal in den Fingern, vom Windelwechseln hat er offenbar genug.

Anders ist es nicht zu erklären, dass er bis vor einem Jahr noch eher desinteressiert an einem Wechsel zu Haas war, sich zuletzt aber vehement dafür in Stellung brachte und laut eigener Aussagen bereits vor Wochen wieder das Trainingspensum erhöhte, um fürs Comeback in Form zu kommen.

Haas und Hülkenberg: Könnte klappen

Daran, dass Hülkenberg es noch kann, zweifeln die wenigsten im Fahrerlager: „Haas braucht im eng umkämpften Mittelfeld zwei erfahrene Piloten und Nico ist dazu genau der richtige Mann, das hat er schon so oft unter Beweis gestellt“, urteilt beispielsweise Ex-F1-Pilot Jolyon Palmer.

Und weiter: „Ich halte Magnussen und Hülkenberg für ein starkes Duo, vor allem wenn Nico bei der Rückkehr so hungrig ist wie Kevin, dann bringen sie das Team gemeinsam vorwärts.“

Palmer war 2017 Teamkollege von Hülkenberg bei Renault, im Jahr davor auch von Magnussen. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)

Dass er dem Deutschen nicht das Wasser reichen konnte, musste der Brite recht schnell einsehen und schätzt Hülkenberg dabei sogar noch stärker ein als Magnussen: „Ich habe damals erlebt, wie Nico tickt. Er ist nicht nur enorm begabt, sondern auch ein harter Arbeiter. Er war sauschnell und saß dann noch endlos mit den Technikern zusammen. Bei ihm schoss mir durch den Kopf: ‚Das ist mal ein echter Profi!‘ Das hatte ich zuvor noch nie erlebt.“

Einen weiteren Vorzug streicht Aston-Martin-Ingenieur Tom McCullough heraus, der bereits mehrfach in seiner Karriere mit Hülkenberg zusammenarbeitete: „Nico besitzt nicht nur massives Talent und ist überaus anpassungsfähig, du kannst dich auch einfach in sämtlichen Situationen auf ihn verlassen.

Du weißt schon vor einem Qualifying oder Rennen, dass er alles herausholen wird, was der Wagen hergibt“, lobt der Brite und stellt klar, dass böse Überraschungen bei Hülkenberg eher unwahrscheinlich sind.

Steiner entledigt sich einem Problem

Mit ein Grund, warum Haas nun auf den Routinier zurückgreift: Mick Schumacher kostete das kleine US-Team mit über drei Millionen Dollar Schadenssumme, vor allem verursacht durch die zwei Totalschäden in Saudi-Arabien und Monaco, am Ende auch einfach zu viel Geld. (DATEN: Die Teamwertung der Formel 1)

Hinzu kommt: In Sachen Wellenlänge dürfte es zwischen Hülkenberg und dem knorrigen Steiner deutlich besser passen. Der Emmericher ist ebenfalls für kesse Sprüche und trockenen Humor bekannt, kann auch mal Contra geben.

Unvergessen, wie er nach dem Ungarn GP 2017 während der TV-Interviews zu Kevin Magnussen ging, dem Dänen ironisch auf die Schulter klopfte und mit erhobenem Daumen sagte: „Mal wieder der unsportlichste Fahrer im Feld heute.“

Magnussen konterte damals mit seinem legendären „Lutsch mir die Eier“-Spruch. (NEWS: Hülkenberg von Rivalen beschimpft)

Medialer Rummel um Schumacher nervt Steiner

Mit diesem Fahrerduo dürfte Steiner in Zukunft viel Freude haben, von der Mentalität her passt Hülkenberg deutlich besser in Haas‘ raues Teamklima als der brave Schumacher.

Und: Steiner löst mit dem Schumi-Aus gleich noch ein anderes Problem auf elegante Art: Denn der mediale Rummel um den Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher, an vorderster Front durch Sky Deutschland vorangetrieben, war dem Südtiroler stets ein Dorn im Auge.

Die kritischen Nachfragen von Reporter Peter Hardenacke strafte Steiner beispielsweise schon seit dem Rennen in Baku mit einem Interview-Boykott ab. Auch die oftmals kritischen Experten-Töne von Ralf Schumacher kamen bei Haas schlecht an. (NEWS: Breitseite gegen Mick Schumachers Boss)

Am Ende schoss sich der deutsche TV-Partner damit unterm Strich leider genauso ein Eigentor, wie Onkel Ralf seinem Neffen Mick.

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