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Vettels Zukunft: Winkt ein spektakulärer Tausch?

Die Bombe ist geplatzt. Mit Sebastian Vettel verlässt der letzte deutsche Formel-1-Star Ferrari am Ende der Saison 2020.

Was 2015 als vermeintliche Traumehe zwischen dem viermaligen Weltmeister Vettel und dem extrem ambitionierten Topteam begann, endet (voraussichtlich) als Missverständnis. Vettel konnte in sechs Jahren keinen einzigen WM-Titel erringen, die Scuderia setzt in Zukunft voll auf den zehn Jahre jüngeren Charles Leclerc (22), der Ferrari die erste Weltmeisterschaft seit 2008 (Konstrukteurs-WM) einbringen soll.

"Um die bestmöglichen Ergebnisse in diesem Sport zu erzielen, ist es unerlässlich, dass alle Parteien in perfekter Harmonie zusammenarbeiten. Das Team und ich sind zu der Erkenntnis gekommen, dass der gemeinsame Wunsch, über die Saison hinaus weiter zusammenzuarbeiten, nicht mehr besteht", sagte Vettel in einer gemeinsam mit seinem Team versandten Presseerklärung am Dienstagmorgen.

Für Vettel, der nach SPORT1-Informationen wegen des immer größeren Einflusses von Leclerc und der Zweifel an Ferraris Konkurrenzfähigkeit bei den Italienern aufhört, stellt sich nun die Frage nach seiner sportlichen Zukunft. Ein Rücktritt ist die logischste Konsequenz.

"Es gibt natürlich die Möglichkeit, dass er aufhört", meint Ralf Schumacher im SPORT1-Interview, fügt aber an: "Er sieht sich in einem Alter, in dem er noch längerfristig denken und fahren möchte. Ich bin mir sehr sicher, dass er Alternativen hat."

SPORT1 stellt alle Optionen Vettels für die Saison 2021 vor:

MERCEDES

Ein deutscher Weltmeister bei einem deutschen Rennstall? Das Traumszenario der deutschen Fans ist zumindest für Marc Surer nicht unrealistisch.

"Für mich wäre es ideal, eine Traumvorstellung sozusagen, wenn er zu Mercedes wechseln würde. (...) Für Mercedes würde sich eine Verpflichtung von Vettel im Erfolgsfall ebenfalls lohnen. Denn sie könnten dann endlich einen deutschen Weltmeister vermarkten. Der letzte, Nico Rosberg, ist ja sofort nach dem Titelgewinn zurückgetreten", schwärmte der TV-Experte im SPORT1-Interview.

Möglich wäre ein Wechsel zu Mercedes - das als vermutlich einziges Team sein bisheriges Jahresgehalt von angeblich mehr als 30 Millionen Euro zahlen könnten - aber nur, falls Weltmeister Lewis Hamilton das Team verlässt. Der Vertrag des Engländers läuft ebenfalls aus, seine Zukunft ist noch unklar. Der 35-Jährige könnte auch Vettel bei Ferrari ersetzen.

Eine Fahrerpaarung Vettel/Hamilton ist nicht nur wegen der dann extrem hohen Gehaltskosten unwahrscheinlich, beide Fahrer würden auch den Nummer-1-Status für sich beanspruchen.

Aufhorchen ließ nun Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Sebastian ist ein großartiger Fahrer, eine große Persönlichkeit und für jedes Formel-1-Team eine Bereicherung", zitierte die dpa Wolff: "Mit Blick auf die Zukunft sind wir in erster Linie gegenüber unseren aktuellen Mercedes-Fahrern zu Loyalität verpflichtet, aber wir können diese Entwicklung natürlich nicht außer Acht lassen."

Geht Hamilton, könnte Vettel mit dessen Teamkollegen Valtteri Bottas um die Nummer 1 kämpfen.

Ob der Heppenheimer das will, ist jedoch fraglich: Bottas hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Topfahrer entwickelt, Vettel ging harten Konkurrenten - vor Leclerc passierte dies bereits 2014 bei Red Bull mit Newcomer Daniel Ricciardo - dagegen eher aus dem Weg.

RENAULT

Vettels Zukunft könnte auch bei Renault liegen. Wie Sky Italia berichtet, hat der 32-Jährige sogar bereits ein Angebot der Franzosen vorliegen. Dort könnte Ricciardo nach zwei erfolglosen Jahren das Weite suchen, der Australier wird auch als Vettel-Nachfolger bei Ferrari gehandelt.

"Ich weiß, dass Vettel ein Angebot von Renault und McLaren hat, aber ich weiß nicht, inwiefern er daran auch interessiert ist. Sie haben ihn gebeten, sich vor Ende Juni zu entscheiden, bevor die neue Saison beginnt", berichtete der meist gut informierte Journalist Leo Turrini.

Vettel müsste bei Renault massive Gehaltseinbußen hinnehmen, das sollte für ihn aber kein Ausschlusskriterium sein. "Finanzielle Angelegenheiten haben bei dieser gemeinsamen Entscheidung keine Rolle gespielt. So denke ich nicht, wenn es darum geht, bestimmte Entscheidungen zu treffen, und so wird es auch nie sein", sagte er in der Ferrari-Mitteilung.

McLAREN

Turrini berichtete auch von einem McLaren-Angebot für Vettel. Das deckt sich mit SPORT1-Informationen, nach denen das englische Traditionsteam eine Alternative für den Deutschen darstellt. McLaren kehrt 2021 zu Mercedes zurück und könnte das eigene Werksteam - das gerade auf dem Prüfstand steht und verkauft werden könnte - sogar ersetzen.

Eine Rückkehr zu den glorreichen Zeiten des Traditionsrennstalls scheint nicht unmöglich, zumal die Karten ab 2022 neu gemischt werden.

Bei den Engländern könnte schon 2021 ein Cockpit frei werden, da der Vertrag von Carlos Sainz ausläuft und auch der Spanier als Nachfolger von Vettel bei Ferrari im Gespräch ist. Motorsport-total berichtet gar, dass sich beide Parteien bereits über eine gemeinsame Zukunft einig seien.

Kommt es also zu einem spektakulären Fahrertausch?

"Sebastian will sich jetzt alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Nur wenn er ein Angebot bekommt, das sportlich Sinn macht, wird er weitermachen", erklärte sein Vertrauter Helmut Marko, Vettels Ex-Chef bei Red Bull.

RED BULL

Die Frage nach dem sportlichen Sinn muss Vettel für sich beantworten - Siege oder gar WM-Titel kann der Deutsche weder bei Renault noch bei McLaren erwarten.

"Wenn du anfängst, sind Top-10-Plätze super, Top-5-Plätze unglaublich. Wenn du zehn Jahre in den Top 5 warst, dann fühlt sich ein 15. Platz aber plötzlich ganz anders an", gab der extrem ehrgeizige Vettel im März zu.

Außerdem wies der Heppenheimer bei einer Video-PK vor einigen Wochen betont deutlich darauf hin, dass er "bislang immer Dreijahresverträge hatte" und zwar "erfahren" sei, aber "noch nicht alt". Strebt Vettel einen langfristigen Vertrag an, müsste ihm das Team wohl eine Zukunft als Siegfahrer bieten - das können weder Renault noch McLaren.

Wohl aber sein Ex-Team Red Bull, mit dem er von 2010 bis 2013 viermal nacheinander Weltmeister wurde und das mit Max Verstappen 2019 den WM-Dritten stellte. Genau der ist jetzt aber das Problem.

Marko erteilt Vettel-Gerüchten direkt eine Absage: "Wir bei Red Bull sind leider kein Thema. Wir haben mit Max Verstappen einen potenziellen Weltmeister im Team und mit Alexander Albon einen Fahrer aus unserem Nachwuchskader, der sich gut entwickelt hat und noch besser wird." Zwei Superstars könne man sich "aus ganz simplen monetären Gründen" nicht leisten.

Zudem dürfte auch Vettel ein stallinternes Duell mit Supertalent Verstappen scheuen, der Niederländer hat sich bei Red Bull eine enorme Machtposition erarbeitet und gilt als Weltmeister der Zukunft.

ANDERE RENNSERIE

Mit 32 Jahren ist der Heppenheimer eigentlich zu jung für ein Karriereende. Im Herbst seiner Laufbahn könnte Vettel deshalb noch in einer anderen Rennserie starten und sein riesiges Talent im Rennwagen zeigen.

"Es gibt vieles, was ich noch tun möchte. Ich habe Ideen, die ich noch für mich behalte. Einige davon haben wirklich gar nichts mit der Formel 1 zu tun. Aber wer weiß? Ich habe noch keinen präzisen Plan", sagte Vettel bereits im November 2018 bei Motorsport-total und Formel1.de.

So gab er damals an, dass er sich eine Teilnahme am berühmten 24-Stunden-Rennen von Le Mans vorstellen könne.

"Dort fährst du ja auch nicht nur gegen alte Herren, die 40 und älter sind, sondern auch gegen ganz junge. Vielleicht wirst du mit dem Alter irgendwann langsamer, das weiß ich nicht. Aber ich kann mir gut vorstellen, andere Rennen zu fahren. Oder vielleicht überhaupt etwas anderes zu machen."

2016 fragte Vettel auf einer Pressekonferenz nach dem Baku-GP die Journalisten sogar nach dem Sieger von Le Mans, bevor diese ihm überhaupt eine Frage stellen konnten.

Ein Engagement bei einer anderen Rennserie wäre allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Aus in der Formel 1. Beide Jobs sind auch parallel machbar. So fuhr Fernando Alonso 2018 in der FIA Langstrecken-WM, gleichzeitig startete er für McLaren in der Formel 1.

KARRIEREENDE

Startet die Formel 1 im kommenden Jahr ohne einen einzigen deutschen Fahrer? Vettel ist von seinem Ziel, noch einmal Weltmeister zu werden, so weit weg wie noch nie.

Bei Renault und McLaren reicht dafür die Qualität voraussichtlich nicht, bei Red Bull und Mercedes würde Vettel nicht auf seinen Status als Nummer-1-Fahrer pochen können. Womöglich könnte der 32-Jährige deshalb ganz hinschmeißen und zum Saisonende Schluss machen.

"Was in den letzten paar Monaten passiert ist, hat dazu geführt, dass viele von uns darüber reflektiert haben, was unsere Prioritäten im Leben sind. Ich selbst werde mir die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was für meine Zukunft wirklich wichtig ist“, sagte Vettel in der Ferrari-PM vieldeutig.

Auch Ex-Teamchef Eddie Jordan hält ein Karriereende für realistisch. "Meiner Meinung nach hat er keine andere Wahl als aufzuhören oder zu McLaren zu wechseln. Der Zug bei Ferrari ist längst für ihn abgefahren", sagte der 72-Jährige bei SPORT1.

Vettel sticht seit Jahren inmitten anderer Königsklassen-Piloten heraus. Er sieht die sozialen Medien kritisch, äußert klar seine Meinung zum Thema Umweltschutz in der Formel 1 und drängt nicht ins Scheinwerferlicht.

Außerdem heiratete er im vergangenen Jahr seine langjährige Freundin Hanna, mit der er drei gemeinsame Kinder hat und so viel Zeit verbringt wie möglich.

"Natürlich denke ich darüber nach. Realistisch betrachtet werde ich in zehn Jahren nicht mehr hier sein", sagte Vettel im März bei Motorsport-total zu einem möglichen Karriereende.

"Zu denken, dass die Formel 1 das Zentrum des Universums ist, wäre ignorant. Es dreht sich nicht alles um die Formel 1. Die Formel 1 ist ein Zirkus, manchmal ein verwöhnter Zirkus. Hier geht's um so viel Geld, und Geld verdirbt bei einigen den Charakter. Im Großen und Ganzen kann man das schon so sagen."

Bietet kein Team Vettel ein anspruchsvolles Projekt, mit dem er sich hundertprozentig identifizieren kann, deutet einiges darauf hin, dass der viermalige Weltmeister im Juli in seine letzte Formel-1-Saison startet.