Videobeweis-Farce: Die Schiedsrichter sind die ärmsten Schweine

Der erste Spieltag der Bundesligasaison 2018/19 ist rum. Was bleibt ist vor allem aber die Diskussion um Für und Wider des Videobeweises. Die falsche Handhabung geht vor allem zu Lasten der Schiedsrichter.

Von Yahoo Sport-Redakteur Tommy Gaber

Rot? Gelb? Was denn nun? Der Videobeweis sorgt für viele Schlagzeilen.
Rot? Gelb? Was denn nun? Der Videobeweis sorgt für viele Schlagzeilen.

Es hatte doch alles wunderbar funktioniert in Russland. Erstmals wurde bei einem großen Fußballturnier der Videobeweis eingesetzt, nachdem sich der Weltverband FIFA jahrelang dagegen gesträubt hatte. Doch die WM hat gezeigt: Das Ding macht Sinn, wenn es vernünftig einsgesetzt wird.

Die Hoffnung war groß, dass sich der Videobeweis nach den positiven Erfahrungen bei der WM auch in der Bundesliga durchsetzt. Doch schon nach dem 1. Spieltag geht das Gejammere von vorne los. Gleich mehrere Spieler und Trainer, darunter beschwerten sich über die Flut an Überprüfungen der Schiedsrichter.

“Ab der 70.Minute haben wir eigentlich nur noch Video geschaut”, sagte Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann. Und Augsburgs Marco Richter meinte: “Man freut sich riesig, wenn man ein Tor erzielt. Aber die Sekunden danach, die man leiden muss, sind schon anstrengend.”

Der Videobeweis macht den Fußball anstrengender

Der Videobeweis soll den Fußball gerechter machen. Das Bundesliga-Wochenende hat aber erneut gezeigt: Er macht ihn vor allem anstrengender. Das liegt schlicht an der völlig falschen Handhabung. Statt wie ursprünglich vorgesehen nur bei eklatanten Fehlentscheidungen einzugreifen, funkt der Video-Assistent bei vielen interpretierbaren Entscheidungen dazwischen.

Zwei Beispiele: Beim Spiel zwischen Bayern und Hoffenheim annullierte Schiri Dankert den Treffer von Leon Goretzka zum 3:1, weil dessen Schuss an den angelegten Arm von Thomas Müller prallte und von dort ins Tor. Eine Allerweltsszene im Fußball und beileibe kein Grund, sie zu überprüfen.

Beim Spiel zwischen Hertha BSC und Nürnberg wurde das Berliner Führungstor von Vedad Ibisevic überprüft, weil der Bosnier kurz zuvor ein Foul begangen haben soll. Zum einen entstand der Treffer aus einer neuen Spielsituation heraus, zum anderen war Ibisevic Verhalten im Zweikampf allenfalls diskutabel..

“Es sind viele Sachen nicht gut gelaufen”, musste DFB-Video-Schiri-Chef Jochen Drees beim Wontorra-Talk auf Sky zugeben. “Der Assistent soll nicht bei den interpretierbaren, grauen Entscheidungen eingreifen, sondern nur bei den glasklaren Entscheidungen. Der Schiri auf dem Feld ist der Chef.”

Schiedsrichter werden enteiert

Und hier liegt das große Problem: Die Video-Assistenten nehmen sich zu wichtig. “Die Video-Assistenten müssen endlich verstehen: Sie sind Assistenten, nicht Vorgesetzte – auch wenn sie häufig mehr Erfahrung haben”, polterte Schalke-Manager Christian Heidel.

Durch das permanente Eingreifen wird der Spielfluss gestört und die Autorität der Referees untergraben. Reinhold Beckmann sagte im Doppelpass bei Sport1 treffend: “Die Schiedsrichter werden enteiert. Die Ereignisse beim Chaos-Spiel Wolfsburg gegen Schalke nannte der Moderator ein “Paradebeispiel für die Verunsicherung” der Unparteiischen.

Stefan Effenberg machte gleich die Qualitätskiste auf. “Man muss eventuell hinterfragen, ob das wirklich reicht für die Bundesliga”, sagte er bei Sport1. Diese Debatte anzustoßen, führt am Thema vorbei. Durch die falsche Anwendung des Videobeweises wird der Job der Schiedsrichter zusätzlich erschwert. Sie müssen bei jeder kniffligen Entscheidung befürchten, dass es gleich im Ohr piepst, weil sich der Video-Assistent in Köln nicht zurückhalten kann.

Falsches Signal von Funkel

Die deutsche Schiedsrichter-Zunft genießt im internationalen Fußball einen guten Ruf und hat mit Sicherheit nicht weniger Qualität als die Kollegen in den anderen europäischen Topligen. Zudem ist es wenig hilfreich, wenn ein Bundesligatrainer – in diesem Fall Düsseldorfs Coach Friedhelm Funkel – anmerkt, dass es zu viele junge Schiedsrichter gebe und Spieler wie Trainer vor älteren Semestern per se mehr Respekt hätten. Gerade die unerfahrenen Spielleiter verdienen Respekt und sind für Hilfestellungen und Entgegenkommen dankbar.

Nicht die Qualität der Schiedsrichter ist das Problem in der Bundesliga, sondern die grundlegend falsche Handhabung des Videobeweises. Sollte sich daran nicht schleunigst etwas ändern, bleiben die deutschen Schiedsrichter Freiwild für Kritik oder einfacher gesagt: Die ärmsten Schweine der Liga.