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Viel Arbeit für Löw: Großbaustelle DFB-Team

Von Nico Stankewitz

Viel Arbeit für Löw: Großbaustelle DFB-Team

Die eine oder andere Frage hat der Bundestrainer beim vorigen Doppelspieltag beantworten können: Die Offensive funktionierte gut mit dem Duo Götze/Müller, Schweinsteiger findet allmählich zu seiner Form und mit Emre Can durfte ein interessanter Neuling die Rechtsverteidigerposition ausprobieren. Trotzdem gibt es gut acht Monate vor der Europameisterschaft in Frankreich noch eine Reihe von offenen Baustellen für Löw. Eine Bestandsaufnahme.

Die ewigen Rivalen

Baustelle Tor: Gut, das ist eigentlich keine Baustelle. Mit Manuel Neuer steht der weltbeste Torhüter zwischen den deutschen Pfosten, solange der Bayern-Keeper gesund und munter ist, gibt es kein Problem. Aber natürlich sind die beiden anderen Torwartpositionen im Kader nicht unwichtig, zum einen, weil es ja passieren könnte, dass die Nr.1 ausfällt, zum anderen sind die Reservekeeper immer wichtige Indikatoren für die Stimmung im Kader. Mit Bernd Leno und Marc-André ter Stegen ist jetzt erstmals ein Duo dabei, dass sich wie etwa Kahn/Lehmann schon seit Jugendzeiten eine Auseinandersetzung liefert und sich dabei in tiefer Abneigung verbunden ist. Sportlich sind die Torhüter Bayer und Barca hier genau richtig aufgehoben, interessant wird sein, wie sich die beiden gemeinsam in die Gruppe integrieren.

Hector gesetzt, Lotterie auf rechts

Baustelle Abwehr: Seit Jahren sind die Außenverteidigerpositionen eine der Hauptproblemstellen im deutschen Fußball, lösen konnte es dauerhaft auf beiden Seiten nur Philipp Lahm, der bekanntlich nicht mehr zur Verfügung steht. Auf der linken Seite hat sich mit Jonas Hector eine „kleine Lösung“ durchgesetzt, der gegen Polen und Schottland zwei sehr ordentliche Auftritte ablieferte. Der Kölner verbessert sich Stück für Stück und profitiert ganz offensichtlich von der sehr guten Arbeit von Peter Stöger beim FC. Der wiedererstarkte Dortmunder Schmelzer stellt allerdings eine gute Alternative da und könnte für den November-Termin wieder ein Thema werden. Rechts hat Löw gegen Polen und Schottland mit Emre Can einen weiteren Mittelfeldspieler getestet, der seine Sache offensiv nicht schlecht machte, im Abwehrverhalten aber deutliche Schwächen offenbarte.

Der in Dortmund umgeschulte Innenverteidiger Mathias Ginter könnte schon für diese Spiele eine Alternative darstellen, in der Bundesliga müsste man noch Erik Durm (wie Ginter ein „Bankweltmeister“) und den Gladbacher Julian Korb beachten. Es bleibt kompliziert auf dieser Position, Sebastian Rudy scheint (obwohl im Kader) bereits durchgefallen zu sein. Am wenigsten zu sagen gibt es über die Innenverteidiger, hier haben wir mit Jerome Boateng und Mats Hummels ein Weltklasse-Duo, mit Shkodran Mustafi auch einen sehr starken Backup – wird schwer für Antonio Rüdiger oder Benedict Höwedes, sich da realistische Einsatzchancen in Frankreich zu erarbeiten.

Der Vierkampf

Baustelle Mittelfeld: Schweinsteiger/Kroos scheint das gesetzte Duo auf der 6 zu sein, mit Özil auf der 10 und Gündogan als Konkurrent für alle drei. Diese vier bewegen sich momentan alle auf einem sehr guten Leistungsniveau – Qual der Wahl und zweifellos ein Luxusproblem für den Bundestrainer. Mit dem sehr lauf- und zweikampfstarken Christoph Kramer steht ein fußballerisch einfachere Alternative parat, auch die nicht nominierten Lars Bender und Sami Khedira sind Varianten, bei denen Stabilität vor Kreativität steht.

Alle Macht dem Zentrum!

Baustelle Sturm: Hier ist ein Umdenkungsprozess im Gange, der sich aber nur in ganz kleinen Babyschritten manifestiert. Im Grunde steht mit Bellarabi nur ein einziger „richtiger“ Flügelspieler im Kader, die anderen Kandidaten wie Reus, Schürrle oder der diesmal verletzt abgereiste Podolski sind eher hängende Spitzen, Müller und Götze sind sowieso Freigeister, die viel Freiraum benötigen und bekommen. Und trotz der guten Offensivleistung zuletzt, haben insbesondere Marco Reus und Kevin Volland gute Karten, sich mit Blick auf die EM Plätze in der Startelf zu sichern. Es könnte mittelfristig offensiv auf eine zentrale Spitze (und Volland zeigte sich zuletzt in Hoffenheim in guter Form) hinauslaufen, auch der lange verschmähte Mario Gomez wird von Löw auffällig oft gelobt und ist mit seiner physischen Präsenz in der deutschen Offensive einzigartig. Dazu kämen zwei freischwebende Spieler zwischen Sturm und Mittelfeld wie Müller, Götze, Reus, Kruse oder Schürrle. Das ist schwer zu verteidigen, denn hier kann im Prinzip jeder in jede Rolle schlüpfen. Gleichzeitig hat der Bundestrainer auch hier ein Luxusproblem: Zwar fehlen Außen- und Mittelstürmer, aber so könnte es gelingen, Müller, Götze, Reus und Özil in der Mannschaft unterzubringen – kein kleines Kunststück bei so ähnlichen Spielertypen.