Wachablösung: Die Bayern jagen nur noch hinterher

Gut gespielt in Dortmund und trotzdem verloren: Der FC Bayern München spielt in der Bundesliga (derzeit) nur die zweite Geige. Trainer Niko Kovac ist vorerst aus der Schusslinie, muss sich aber einen Vorwurf gefallen lassen: Warum spielte Mats Hummels?

Aus Dortmund berichtet Patrick Strasser

Und wieder schlägt’s ein! Marco Reus überwindet Manuel Neuer vom Elfmeterpunkt.
Und wieder schlägt’s ein! Marco Reus überwindet Manuel Neuer vom Elfmeterpunkt.

Rund eine Viertelstunde nach Spielende, als die Dortmunder ihre Ehrenrunde nach dem 3:2-Triumph über die Bayern beendet hatten und in der Kabine verschwunden waren, traute sich die Bayern-Delegation. Zu sechst schritten die Bosse über den Rasen an der Mittellinie entlang Richtung Katakomben, es ist der direkteste Weg im Signal-Iduna-Park von der gegenüberliegenden Vip-Tribüne. Von den im Stadion verbliebenen BVB-Fans ernteten sie ein deftiges Pfeifkonzert, Hohn und Spott gab’s obendrauf für Präsident Uli Hoeneß, Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge und dessen Vorstandskollegen.

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Sieben Punkte wie einst im Mai 2012

Es war ein ungemütlicher Abend für die Bayern, inklusive einer nasskalten, klebrigen Bierdusche. Kurz nach dem Treffer zum 3:2 durch Joker Pablo Alcácer (73.) regnete es Bier – vermutlich Pils, kein Weißbier wie es die Bayern auf ihren Meisterpartys so gerne aus großen Humpen verschütten. Diese Gaudi droht ihnen im Mai 2019 erstmals zu entgehen. Denn dann könnte erstmals seit 2012 ein anderer Verein Meister werden: der BVB, der Gewinner dieses Showdowns, des Topspiels der Hinrunde.

Am Tag der Wahrheit sahen die Fans ein Schauspiel der Fußballkunst, eine Achterbahnfahrt der Emotionen – mit dem glücklichen Ende für den Tabellenführer und Herausforderer Borussia Dortmund. 3:2 gegen den Meister der letzten sechs Jahre, der mit 1:0 und 2:1 führte. Sieben Punkte liegt der BVB nach dem 11. Spieltag nun vorne. War dies die Wachablösung?

BVB-Kapitän Marco Reus, Mann des Spiels, traf doppelt, glich die Tore von Doppelpacker Robert Lewandowski, der Mann des Spiels hätte werden können, jeweils aus. Der eingewechselte Alcácer sorgte für die Entscheidung. Die Bayern wollten den Abstand zur Tabellenspitze verkürzen – die Mission missglückte. Nun hat man so viel Rückstand wie zuletzt im Mai 2012. Aus den letzten sieben Bundesliga-Spielen holte der Titelverteidiger nur acht Punkte und ist nun nur noch Jäger. Es dürften wieder unruhige Zeiten an der Säbener Straße anbrechen. Nicht jedoch für Niko Kovac. Er darf sich seines Jobs sicher sein – vorerst.

Kovac aus der Schusslinie – vorerst

Der Bayern-Trainer sah ein “fantastisches Fußballspiel, ein offenes Spiel”. Sein Fazit: “Wir haben es nach dem 1:1 geschafft, wiederzukommen, lassen uns dann zwei Mal auswärts auskontern. Das darf nicht passieren.” Kovac ist aktuell zumindest dank Hoeneß aus der Schusslinie. Die Bayern hatten sich vor der Partie bewusst kleingeredet (“Wir sind Außenseiter”) und den Dortmundern die Favoritenrolle zugeschoben.

Hoeneß wollte Druck aus dem Showdown nehmen und damit etwas Last von den Schultern seines Trainers. “Man kann ja nicht nach Dortmund fahren und sagen, man will einen Dreier einfahren.” Ganz defensive, demütige Töne. Und selbst ohne die Schale am Ende der Saison würde der FC Bayern “nicht untergehen”, so Tiefstapler Hoeneß. Die Tore seiner Mannschaft feierte er am Samstagabend jedoch euphorisch wie lange nicht.

“Mit dieser Leistung kann man zufrieden sein”, fand Kovac und ordnete das 2:3 als “das beste Spiel seit Schalke” (2:0 im September) ein. “Darauf werden wir aufbauen und dann hoffentlich mehr solche Spiele machen.” Im Jäger-Modus, um die sieben Punkte möglichst bis zur Winterpause noch verkürzen zu können. “Wir haben noch 23 Spieltage zu absolvieren und ganz viele Punkte zu vergeben”, machte Sportdirektor Hasan Salihamidzic den Seinen Mut. Ziemlich milde auch die Reaktion von Rummenigge: “Das war der FC Bayern wie man ihn sich wünscht und erwartet.”

BVB setzt sich mit Tempofußball durch

Dennoch: Das Topspiel offenbarte den Unterschied zwischen beiden Teams. Die Altmeister aus München zeigten zunächst, was sie (noch) können: Dominanzfußball, gutes Pressing, hohe Intensität. Doch am Ende setzte sich der Hochgeschwindigkeitsfußball Marke Sturm und Drang in den schwarz-gelben Klamotten durch, in Form von Tempogegenstößen. “Wenn du auswärts zwei Mal führst und dann noch verlierst, dann kannst du auch nicht alles richtig gemacht haben”, sagte Thomas Müller mit gesundem Realismus und beklagte “einen Fehler zu viel”. Manuel Neuer, der beim Elferfoul gegen Reus keine glückliche Figur machte, sagte angefressen: “Wir können alle die Tabelle lesen und wissen wo wir stehen und wo Dortmund steht.”

Rummenigge fordert eine Serie

Die Bayern versuchen sich an ihrer besten Leistung seit langem hochzuziehen, gehen geschlagen, aber doch leicht gestärkt in die Länderspielpause. “Der BVB ist zurecht Tabellenführer und sieben Punkte sind nicht wenig”, meinte zwar Rummenigge, doch an der Säbener Straße setzt man auf ein großes Überholmanöver über den Winter. “Im Fußball ist alles möglich”, so Kovac, “die Saison ist noch jung, gerade im zweiten und dritten Drittel kann man noch viel aufholen.” Rummenigge forderte: “Bis Weihnachten müssen wir eine Serie hinlegen und uns ranarbeiten.”

Verwunderung über Hummels: Er ging krank ins Spiel

Verwunderung gab es über den Auftritt von Innenverteidiger Mats Hummels, der im Laufe des Spiels einige Male in Laufduellen chancenlos war. Nach 65 Minuten ließ er sich wegen einer “schweren Erkältung” auswechseln. Seine Erklärung: “Ich bin heute krank geworden, war im Kopf nicht ganz klar in manchen Situationen, das hat man auch gesehen bei zwei Ballverlusten. Das war ganz schlimm. Deswegen habe ich dann gesagt, das hat so keinen Sinn.”

Hummels weiter: “Die Trainer wussten natürlich Bescheid. Ich ärgere mich, dass ich nicht schon zur Halbzeit gesagt habe, dass ich raus gehe. Es war alles dumpf und verschwommen.” Unverständlich und im Grunde unglaublich, dass Süle nicht von Beginn an für den geschwächten Hummels gespielt hat. Das muss sich Trainer Kovac ankreiden lassen.