Wahl zum Sport-Stipendiat des Jahres 2019: Ski-Freestylerin Kea Kühnel

Ab sofort kann unter www.sportstipendiat.de der Sport-Stipendiat des Jahres 2019 gewählt werden. Mit der Auszeichnung ehren die Deutsche Sporthilfe und die Deutsche Bank in Kooperation mit SPORT1 auch in diesem Jahr wieder einen Athleten, dem die Kombination aus Spitzensport und Studium in besonderer Art und Weise gelingt. Fünf Top-Sportlerinnen und -Sportler stehen bis zum 18. August 2019 zur Wahl:

  • Jana Bitsch, WM-Zweite 2018 im Karate und Masterstudentin Sportmanagement

  • Johannes Floors, Paralympicssieger, dreifacher Europameister 2018 in der Leichtathletik und Maschinenbau-Student

  • Anna-Lena Forster, Paralympicssiegerin, Weltmeisterin 2018 im Ski alpin und Psychologiestudentin

  • Kea Kühnel, Gesamtweltcup-Dritte in der Saison 2018/2019 im Ski Freestyle und Studentin Accounting, Auditing and Taxation sowie Sinologie

  • Johannes Weißenfeld, Weltmeister im Deutschland-Achter und Student der Humanmedizin

Im vierten Teil unserer Interviewserie stellt Ihnen SPORT1 Ski-Freestylerin Kea Kühnel vor. Die Wintersportlerin aus Bremerhaven hat Bemerkenswertes geschafft: Als Spätstarterin aus dem flachen Norden mischt sie seit einigen Jahren den Wintersport-Zirkus auf. Parallel dazu studiert die 28-Jährige im Master Accounting, Auditing and Taxation in Innsbruck und außerdem auch noch Sinologie im Bachelor in München.

Deutsche Sporthilfe: Frau Kühnel, ein Nordlicht im Wintersportzirkus, das hat Seltenheitswert. Wie sind Sie aus Bremerhaven zum Freeskiing gekommen?

Kea Kühnel: Kea ist das hawaiianische Wort für "Schnee", vielleicht war mein Weg in den Wintersport also vorgezeichnet (lacht). Nein, meine Eltern sind große Ski-Fans und haben mich schon mit zwei Jahren auf die Bretter gestellt. Von Haus aus bin ich aber eigentlich Turnerin. Zum Freeskiing bin erst mit Anfang 20 in Japan gekommen, als ich nach dem Abi für zwei Jahre in Shanghai war. Meinen jetzigen Studienort habe ich übrigens danach ausgewählt, wo die meisten Freeskiier leben – und das war in Innsbruck. Auch wenn mich anfangs viele belächelt haben.

Deutsche Sporthilfe: Sie vergleichen Ihre Geschichte mit der des englischen Skispringers Michael Edwards, bekannt als "Eddie the Eagle", und der jamaikanischen Bobmannschaft bei den Olympischen Winterspielen 1988, die im Film "Cool Runnings" verewigt wurde. Was verbindet Sie?

Kühnel: Ich erkenne mich in beiden Biographien wieder. Niemand hat sie ernstgenommen oder an sie geglaubt, es gab keine Unterstützung von außen – und doch konnten sie ihre Träume verwirklichen und das Unmögliche möglich machen. So ähnlich war es bei mir als extreme Spätstarterin aus dem Flachland auch. Bei meinem ersten Weltcup-Start war ich schon fast 25, zwei Jahre später war ich auf einmal bei den Olympischen Winterspielen – verrückt.

Deutsche Sporthilfe: … als erste Bremer Winter-Olympionikin überhaupt. Wie war das für Sie?

Kühnel: Alles in allem war es eine krasse Erfahrung. Dass ich überhaupt nach Südkorea fahre, stand erst eineinhalb Wochen vorher fest. Ab diesem Zeitpunkt klingelte mein Handy pausenlos, gefühlt alle nord- und süddeutschen Zeitungen wollten mit mir sprechen. Den Trubel, der dann während der Spiele zuhause herrschte, bekam ich in Pyeongchang nicht wirklich mit. Bei den Spielen ist man im Tunnel, hat keine Zeit zum Durchatmen oder gar Abschalten.

Deutsche Sporthilfe: Vergangene Saison wurden Sie nun Dritte im Gesamtweltcup. In drei Jahren vom Weltcup-Debüt bis in die Weltspitze – wie haben Sie diesen "Rückstand" aufgeholt?

Kühnel: Mit viel Fleiß und großem Ehrgeiz. Der Weg war sehr schwierig, aber ich bin froh, dass ich ihn trotz aller Hindernisse gegangen bin. Dass ich früher geturnt habe, hilft mir natürlich. Trotzdem kam Olympia 2018 eigentlich zu früh, ich wusste schon damals, dass ich mein Potenzial noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft habe. Deswegen habe ich letztes Jahr extrem hart trainiert, im Prinzip drei Saisons in nur einem Sommer nachgeholt. Das hat sich ausgezahlt, aber ich bin noch lange nicht da, wo ich hinmöchte.

Deutsche Sporthilfe: Dabei besteht Ihr Leben nicht nur aus dem Sport. Sie studieren in Innsbruck Accounting, Auditing and Taxation und – als wäre ein Studium neben Spitzensport nicht schon genug - parallel in München Sinologie. Wie ist das überhaupt möglich?

Kühnel: Natürlich ist es eine Wahnsinnsaufgabe, neben der Skikarriere zwei Studiengänge in zwei verschiedenen Städten zu bewältigen. Das erfordert sehr viel Disziplin. Aber es macht Spaß und durch den Sport bin ich noch ehrgeiziger und zielstrebiger geworden als zuvor. Der Master in Innsbruck fordert mich enorm und das Umfeld dort ist enorm kompetitiv. Chinesisch kann ich zum Glück im Selbststudium studieren, da mich die LMU in München dankenswerterweise vom Unterricht freigestellt hat.

Deutsche Sporthilfe: Was bedeutet Ihnen ihr Leben abseits der Piste?

Kühnel: Es ist mir wirklich sehr wichtig, neben der Sportkarriere etwas Anderes zu machen. Ich weiß, so oder so ähnlich drücken es viele Athleten aus. Aber für mich ist das Studium eben nicht nur der mentale Ausgleich zum Sport, sondern vor allem eine Absicherung. Unser Sport ist von Verletzungen geprägt, daher ist es super wichtig, ein zweites Standbein zu haben.

Steckbrief

Kea Kühnel (*16. März 1991 in Bremerhaven)
Sportart: Ski Freestyle, Slopestyle und Big Air
Wohnort: Innsbruck
Verein: SC Bremerhaven
Größte Erfolge: Olympia-18. im Slopestyle 2018, Gesamtweltcup-Dritte Big Air 2018/19
Studium: Accounting, Auditing and Taxation (Master) sowie Sinologie (Bachelor)
Universität: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck sowie Ludwig-Maximilians-Universität München