Er war Chauffeur einer Legende - und soll die Spurs retten

Er war Chauffeur einer Legende - und soll die Spurs retten
Er war Chauffeur einer Legende - und soll die Spurs retten

Was lange währt, wird endlich gut - das ist zumindest die Hoffnung bei Tottenham Hotspur nach einer katastrophalen Spielzeit.

Gut zwei Monate nach der Trennung von Antonio Conte hat Tottenham einen neuen Trainer gefunden: Ange Postecoglou übernimmt den Klub aus London, der zuletzt von Contes Co-Trainer Cristian Stellini und dann von Interimstrainer Ryan Mason betreut worden war, und erhält einen Vierjahresvertrag.

Der 57 Jahre alte Australier hatte zuletzt mit großem Erfolg Celtic Glasgow trainiert und mit dem schottischen Klub in zwei Jahren fünf nationale Titel gewonnen, darunter das Triple in der vergangenen Spielzeit.

Postecoglou übernimmt Tottenham Hotspur

Nun soll der frühere australische Nationaltrainer die Spurs, die in der abgelaufenen Saison als Tabellenachter die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb verpassten, wieder in die Spur führen.

Spannende Namen hatten zuvor die Runde gemacht, darunter Ex-Bayern-Coach Julian Nagelsmann oder Feyenoords Meistertrainer Arne Slot - den Zuschlag erhielt jedoch der gebürtige Athener.

Was auf den ersten Blick überraschend sein mag, war Celtic doch Postecoglous erste größere Station in Europa, aber der Australier hat sich in den letzten Jahren einen guten Namen gemacht und wird nun erster australischer Coach in der Premier League.

„Ange bringt eine positive Mentalität und einen schnellen, offensiven Spielstil mit“, sagte Tottenhams Klubboss Daniel Levy: „Er hat eine starke Erfolgsbilanz bei der Entwicklung von Spielern und ein Verständnis für die Bedeutung der Verbindung zur Akademie - alles, was für unseren Klub wichtig ist.“

Broich schwärmt von früherem Coach

Auch wenn Postecoglou vor seiner Zeit in Schottland als Trainer nur in Australien, Griechenland und Japan beschäftigt war, gilt er in der Szene als ausgewiesener Fachmann mit dem gewissen Etwas, was Thomas Broich bestätigen kann.

Der frühere Bundesliga-Spieler arbeitete von 2010 bis 2012 erfolgreich mit Postecoglou bei Brisbane Roar zusammen. „Er war ein strenger, distanzierter Typ, der extrem viel eingefordert hat mit einer allerhöchsten Intensität“, erinnert sich Broich im Gespräch mit SPORT1. „Taktisch war er 1a, hatte er doch eine tolle Spielidee und unter ihm gab es unglaublich fundierte Videoanalysen. Zudem herrschte eine top Trainingsstruktur und ein tolles Übungsdesign.“

Der frühere Gladbach- und Köln-Profi schwärmt in den höchsten Tönen von seinem Ex-Coach. „Es war eine tolle und sehr erfolgreiche Zeit damals bei Brisbane Roar. Ich habe bei Ange enorm viel gelernt in Sachen Fußball, aber auch viele Lektionen fürs Leben mitgenommen. Unter ihm waren Themen wie Resilienz, Mut, Willensausdauer extrem wichtig.“

Postecoglou orientiert sich am FC Barcelona

Dass Postecoglou die Spurs auf längere Sicht wieder nach oben bringen wird, daran hat Broich keine Zweifel. „Ich bin bei Tottenham nicht im Thema drin, aber ein Trainer wie Ange macht jeden Verein und jeden Spieler besser“, sagt Broich. „Allerdings geht das nicht über Nacht. Der Spielstil ist riskant und anspruchsvoll. Mal schauen, ob da alle die nötige Geduld mitbringen.“

Das offensive 4-3-3-System ist Postecoglous bevorzugte Spielweise - wie beim FC Barcelona, wo das 4-3-3 in Stein gemeißelt ist. Daran hat sich der 57-Jährige bei Brisbane orientiert.

Doch Postecoglou ist nicht nur ein Taktikfuchs - der Coach bringt seinen Schützlingen auch viele Dinge außerhalb des Fußballs bei. Dabei hatte Postecoglou eine schwierige Kindheit, in der er als Fünfjähriger mit seinen mittellosen Eltern vor der griechischen Militärdiktatur flüchtete und in einem Schiff nach Australien kam, wo er in Melbourne aufwuchs.

„Die Leute sagen, sie gehen in ein anderes Land, um ein besseres Leben zu haben“, erklärte Postecoglou 2018 in einem Interview. „Meine Eltern hatten kein besseres Leben, sie sind nach Australien gegangen, um mir ein besseres Leben zu ermöglichen.“

Postecoglou von Puskás geprägt

Seine Spielerkarriere verbrachte der viermalige australische Nationalspieler von der Jugend an ausschließlich beim FC South Melbourne, wo der Außenverteidiger auf einen gewissen Ferenc Puskás traf. Die 2006 verstorbene ungarische Legende war von 1989 bis 1992 Trainer bei South Melbourne.

Unter Puskás kam er erstmals mit der 4-3-3-Formation in Berührung. „Er liebte Angriffsfußball“, sagte Postecoglou. „Ihm war es egal, drei oder vier Tore zu kassieren, solange wir ein Tor mehr schossen als der Gegner.“

Chauffeur und Übersetzer für ungarische Legende

Der 57-Jährige war aber nicht nur Spieler unter Puskás. Er fungierte für den Kapitän der ungarischen Wundermannschaft der 1950er Jahre auch als Chauffeur und Übersetzer, da Puskás kaum Englisch, aber vernünftig Griechisch, Postecoglous Muttersprache, reden konnte.

„Ich holte ihn von zu Hause ab und fuhr ihn in meinem alten Auto zum Training, was mir peinlich war. Wir hatten deshalb eine sehr enge Verbindung“, schwärmt Postecoglou noch heute von seinem berühmten Ex-Coach. „Sie können sich nicht vorstellen, was für ein großartiger Mensch er war - wie demütig und respektvoll, obwohl er wirklich alles im Fußball erreicht hatte.“

Postecoglou, der seine Spielerkarriere wegen einer Knieverletzung als 28-Jähriger beenden musste und auch als Banker sowie Versicherungsvertreter arbeitete, startete seine Trainerkarriere 1996 ebenfalls bei South Melbourne.

Geprägt wurde der dreimalige Familienvater nicht nur von Puskás, sondern zeitlebens auch von seinem 2018 verstorbenen Vater Dimitris. „Meine Motivation ist immer, Teams zu formen, die mein Vater gerne sehen würde“, sagte er einst.