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Keine Fans, Menschenrechte egal: Warum der spanische Supercup gar nicht so super ist

Die spanische Liga trägt ihren Supercup erstmals in einem Mini-Turnier aus. Vier Mannschaften sind dafür nach Saudi Arabien gereist. Die Entscheidung bringt eine Menge Geld, ist aber alles andere als politisch korrekt. Ein Kommentar von Yahoo-Redakteur Ben Barthmann.

Saudi Arabien freut sich auf die spanischen Top-Klubs. (Bild: Getty Images)
Saudi Arabien freut sich auf die spanischen Top-Klubs. (Bild: Getty Images)

Der FC Barcelona, Real Madrid, Atlético Madrid und der FC Valencia werden sich im Zeitraum zwischen dem 8. Januar und dem 12. Januar um den Gewinn des spanischen Supercups duellieren. Neu ist neben dem Format als Mini-Turnier insbesondere der Austragungsort.

Die Versetzung der Partien nach Saudi Arabien bringt der spanischen Liga laut einem Bericht der Zeitung ABC mehr als 40 Millionen Euro pro Jahr, die Klubs freuen sich über Summen zwischen etwa 2 und 7 Millionen Euro pro Teilnahme. Eine Menge Geld, das - so möchte man hoffen - das schlechte Gewissen aber nur geringfügig besänftigen kann.

“Die Internationalisierung dieses Wettbewerbs wird seinen Wert erhöhen”, gab der Verband in einem Statement an. Tatsächlich war der Supercup bislang eher eine Randerscheinung des spanischen Fußballs gewesen. Die Termine im August wurden mehr von Touristen als von heimischen Fans besucht.

Saudi Arabien will zum Big Player im Sport werden

Der RFEF sah also Potenzial, den Supercup größer, attraktiver und wertvoller zu gestalten. Letzteres ist mit dem Verkauf nach Saudi Arabien durchaus gelungen.

Für drei Jahre ist der Deal angesetzt, der für das Emirat ein weiteres namhaftes Event im stetig wachsenden Portfolio bedeutet. Zuletzt wurde schon der italienische Supercup sowie diverse weitere Veranstaltungen, etwa aus dem Boxen, Tennis oder Formel E, in Saudi Arabien ausgetragen.

Die Saudis wollen mit aller Macht, respektive allem Geld, ein großer Player im Weltsport werden. Und wer selbst keine wettbewerbsfähigen Sportler auf höchstem Niveau stellt, der mietet sich eben unterhaltsame Events.

Geld ist fast alles in der heutigen Welt des Fußballs. Siehe Katar-WM 2022. Siehe die Gerüchte um eine Superliga der Top-Klubs. Andere Faktoren fallen da bekanntlich gerne unter den Tisch.

Spanische Fans strafen den Supercup mit Abwesenheit

Doch glücklicherweise ist Geld auch nur fast alles. Die spanischen Fans haben “ihren” neuen Supercup zumindest innerhalb der eigenen Möglichkeiten abgestraft. 40 Fans von Real Madrid kauften sich Tickets, Valencia bringt sogar nur 26 Anhänger mit nach Saudi Arabien. Die Königlichen hatten aufgrund der ausbleibenden Nachfrage die Preise für Tickets deutlich gesenkt - mit mäßigem Erfolg.

Das Problem ist aber, dass die Fans aus Spanien nicht alleine die Nachfrage regulieren. Das Duell zwischen dem FC Barcelona und Atlético Madrid im Halbfinale war nach 24 Stunden bereits ausverkauft. Für viele internationale Fans ist es die Gelegenheit, günstig einen Blick auf Lionel Messi und Co. werfen zu dürfen. Und ob man nun nach Barcelona oder Saudi Arabien fliegt, macht für viele erstmal keinen großen Unterschied.

Dass die Menschenrechte in Saudi Arabien mit Füßen getreten werden, bemerkt der normale Fan in seiner Reise von Flughafen zu Hotel zu Stadion und zurück ohnehin nicht. “Wir sind sehr gut vorbereitet”, sagte Prinz Abdul Aziz bin Turki Al-Faisal vor dem Event. Damit meinte er auch, dass für ausländische Fans abermals eine Blase geschaffen wird, die Realität und Event klar voneinander trennt.

Realität in Saudi Arabien ist eine andere

Amnesty International erlaubt einen Blick auf die echte Realität: Oppositionelle sitzen in Haft, gleiches gilt für mutige Frauen, die für ihre Rechte einstehen. Mehrere Dutzend Menschen werden jedes Jahr hingerichtet, Folter und Züchtigung sind an der Tagesordnung. Den spanischen Verband interessierte das nur geringfügig. Geldscheine sind eben blickdicht.

Spaniens ehemalige Nationalspielerin Verónica Boquete war eine der wenigen Größen des Landes, die sich klar gegen das Event positionierte. Sie sprach vom “Sieg des Geldes über Sport und alles andere”, während sich die Top-Klubs und deren Spieler ausschwiegen. Ihre Klagen galten der Belastung, den schlechten Trainingsbedingungen, den langen Flugreisen.

Die größte Sorge von Liga-Präsident Javier Tebas war derweil eine andere: Viele der illegalen Streams der spanischen Wettbewerbe kommen aus Saudi Arabien. Er kritisierte deshalb das Vorhaben seines Dauerrivalen Luis Rubiales, dem Präsidenten des Verbands.

Medien bestreiken Übertragung des Supercups

Übertragung ist ein gutes Stichwort: Das spanische staatliche Fernsehen RTVE distanzierte sich schon im November vom Supercup und hat kein Angebot für die TV-Rechte abgegeben. Auch Mediaset, Atresmedia und Mediapro stiegen sofort aus. Sieg auf ganzer Ebene? Nein, denn Movistar, Tochter von Telefónica, hat die Rechte für alle drei Austragungsjahre gekauft.

Gezeigt werden die Spiele also doch. Immerhin erfreulich ist, dass die große Begeisterung international auf sich warten lässt. In Deutschland gibt es keine offizielle Übertragung, auch Frankreich, Belgien, Niederlande, Österreich, Schweiz, Israel und große Teile des so wichtigen asiatischen Markts rund um Japan oder Südkorea sind nicht live dabei.

Die Politik derweil schweigt. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez gab auf Nachfrage an, er sei ohnehin “eher Basketballer” als Fußballer. Zu eng vernetzt sind spanische Politiker, um sich gegen den “Cup der Gleichheit” (Zitat Rubiales) auszusprechen. Cup der Gleichheit? Ja, kein Witz.