Wer stoppt Titelverteidiger Dänemark?

Endlich ist es wieder soweit, die Handball-Welt sucht einen neuen Champion.

Vom 11. bis zum 29. Januar jagen bei der Weltmeisterschaft in Schweden und Polen 31 Nationen den aktuellen Titelträger Dänemark. (NEWS: Alles Wichtige zur Handball-WM)

Den Skandinaviern gelang bei den vergangenen Titelkämpfen in Ägypten das Kunststück, den Titel erfolgreich zu verteidigen. Damit dürfen sich die Dänen nun bereits seit vier Jahren mit dem Weltmeistertitel schmücken.

Dies soll sich bei der 28. Austragung einer Handball-WM der Männer aber nun ändern. Doch wer hat das Zeug zum Nachfolger Dänemarks? Besteigt Frankreich zum siebten Mal den Thron oder kann Schweden seine lange Durststrecke beenden? Vielleicht gelingt auch einem Außenseiter in diesem Jahr der große Wurf. Oder Dänemark macht das Unmögliche wahr und feiert als erstes Team überhaupt den Titel-Hattrick?

SPORT1 macht den großen Favoritencheck und ordnet die Chancen der Medaillenkandidaten im Powerranking ein.

Platz 8: Polen (WM-Titel: 0)

Der Gastgeber hofft auf den Heimvorteil - und was dieser bewirken kann, haben die vergangenen Turniere gezeigt. Dessen ist sich auch Handball-Legende Christian Schwarzer bewusst. „Katar und Ägypten haben das gezeigt im eigenen Land“, betont der 53-Jährige im SPORT1-Interview. „Deswegen sind Gastgeber für mich immer heiße Kandidaten.“

Dänemark wurde 2019 vor eigenem Publikum erstmals Weltmeister und zwei Jahre zuvor ließ sich Frankreich bei der Heim-WM feiern. Selbst Deutschland kann ein Lied davon singen. Der letzte Triumph war das Wintermärchen 2007 im eigenen Land. (ARTIKEL: „Phantomtor“ bei Handball-WM sorgt für Wirbel)

Und Talent ist in der polnischen Mannschaft vorhanden. Gerade Vive Kielce hat sich seit Jahren in der internationalen Spitze etabliert. Die zahlreichen einheimischen Spieler profitieren davon und bringen diese Erfahrung mit in die Nationalmannschaft.

Daher darf man mit dem Gastgeber durchaus rechnen. Für einen Medaillencoup wird es aber wohl nicht reichen. Den Ausfall von Kamil Syprzak dürfte das Team nicht kompensieren können.

7. Deutschland (WM-Titel: 3)

Für Deutschland geht es nach dem WM-Fiasko 2021 - Platz zwölf bedeutete das schlechteste WM-Ergebnis einer deutschen Mannschaft überhaupt - darum, sich mit Blick auf die Europameisterschaft 2024 im eigenen Land einzuspielen und zuhause Euphorie zu entfachen.

Doch das DHB-Team fährt nicht nur als Gute-Laune-Truppe zur Gruppenphase nach Polen. Mit Julian Köster und Juri Knorr (beide 22) hat die Truppe von Bundestrainer Alfred Gislason zwei große Hoffnungsträger in ihren Reihen, die auch schon als Leistungsträger fungieren können. (ARTIKEL: Wie gut ist der DHB-Kader?)

Köster hatte dies bereits bei der EM im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt. Knorr ist diesen Nachweis in der Nationalmannschaft noch schuldig geblieben, hat sich aber bei den Rhein-Neckar Löwen in der HBL schon seine Meriten verdient.

Das Hauptproblem ist, dass die deutsche Mannschaft noch zu inkonstant agiert. In den Spielen ist das DHB-Team zu Weltklasse-Leistungen in der Lage, kann aber auch von einer Minute auf die andere in ein komplettes Tief verfallen. Wenn Gislason diese Schwächephasen auf ein Minimum reduzieren kann, ist für Deutschland einiges drin.

Wenn es nach Schwarzer geht, tritt die deutsche Mannschaft ihre Heimreise nicht ohne Edelmetall in der Tasche an. Wer die Weltmeisterschaft gewinnt, ist für den Braunschweiger klar: „Ich würde aus Patriotismus mal Deutschland sagen“, schmunzelt der 53-Jährige.

6. Island (WM-Titel: 0)

Die größten Erfolge der Isländer sind ein Olympisches Silber (Peking 2008) und eine EM-Bronzemedaille (2010). Bei einer Weltmeisterschaft ist ein fünfter Rang aus dem Jahr 1997 das beste Ergebnis.

Und trotzdem sollte man die Truppe von Gudmundur Gudmundsson nicht unterschätzen. Von vielen wird das Team sogar als die beste isländische Mannschaft aller Zeiten eingeschätzt.

„Island gehört für mich zum erweiterten Favoritenkreis. Aber dieses Jahr haben sie ein Jahr, in dem sie sehr weit kommen können,“ zollt Ex-Nationalspieler Martin Strobel dem Team im Gespräch mit SPORT1 gebührenden Respekt.

Dafür sind vor allem Omar Ingi Magnusson und Gisli Thorgeir Kristjansson vom Deutschen Meister SC Magdeburg verantwortlich. Dazu bringt Aron Palmarsson gehörig internationale Erfahrung mit. Mit dem FC Barcelona gewann er 2021 die Champions League, ehe sich der mittlerweile 31-Jährige dem Projekt Aalborg Handbold anschloss.

Mit Coach Gumundsson, der bereits für die beiden bislang größten Erfolge der Nationalmannschaft verantwortlich war, könnte Island zur großen Überraschung des Turniers werden.

5. Spanien (WM-Titel: 2)

Spanien ist ein Phänomen im Handball.

Bereits bei der Weltmeisterschaft 2021 in Ägypten galten die Iberer als überalterte Mannschaft, standen am Ende aber mit der Bronzemedaille da. „Gerade diese Erfahrung hat ihnen geholfen, in den wichtigen Spielen die Big Points zu sammeln, die wir Deutschen nicht sammeln konnten“, ordnet Schwarzer die Niederlage gegen die Spanier vor zwei Jahren ein.

In der Hauptrundenpartie gegen Deutschland, das sie mit 32:28 gewannen, zeigten sie ihre größte Stärke: ihre Routine.

Für den gelernten Kreisläufer zählen die Spanier genau deswegen auch bei diesem Turnier zum engeren Favoritenkreis. „Plötzlich sind sie dann wieder ganz vorne mit dabei und haben die Chance den Titel zu gewinnen.“

Zehn der 18 Spieler sind älter als 30 Jahre. Eingespielte Abläufe und blindes Verständnis dürften damit auch diesmal wieder der spanische Schlüssel zum Erfolg sein. Allerdings fehlt in diesem Jahr ein Spieler wie Julen Aguinagalde, der als Urgewalt am Kreis aktiv ist.

Doch mit Keeper Gonzalo Pérez de Vargas und Rückraumspieler Alex Dujshebaev hat Spanien ebenfalls Weltklasse im Kader. Zusammen mit Spaniens Erfahrung kann das Team jedem Gegner Kopfschmerzen bereiten.

4. Norwegen (WM-Titel: 0)

In den vergangenen Jahren machte Norwegen immer wieder auf sich aufmerksam. Bei den Turnieren 2017 und 2019 war für das Team erst im Finale Schluss. Es waren die bislang einzigen WM-Medaillen für die Skandinavier.

Damals wurden die Silbermedaillen noch als große Erfolge eines jungen Teams gefeiert, dem die Zukunft gehören sollte. Diese Zukunft ist nun aber da. Magnus Abelvik (25) und natürlich Sander Sagosen (27) sind nun im besten Handballalter angekommen und die Säulen ihres Teams.

Dazu bringt Kapitän Christian O‘Sullivan eine gehörige Portion Erfahrung mit, ist mit seinen 31 Jahren aber noch nicht zu alt, um auch mit Leistung voranzugehen. Wie stark der Rückraumspieler ist, stellte er vergangene Saison unter Beweis, als er mit dem SC Magdeburg Meister wurde.

3. Frankreich (WM-Titel: 6)

In keinem Favoritencheck vor einem großen Turnier darf Frankreich fehlen. Fünf der letzten elf WM-Titel gingen an die Équipe Tricolore, womit die Grande Nation die alles dominierende Mannschaft in diesem Jahrtausend ist.

Kurios: Mit Nikola Karabatic steht das Gesicht dieser Dominanz immer noch im Kader. Allerdings nimmt der 38-Jährige naturgemäß nicht mehr diese prägende Rolle im Team ein wie früher. Doch für geniale Momente ist der Rückraumstar von Paris Saint-Germain immer noch gut.

Das wird auch bei dieser WM seine Aufgabe sein. Denn die Position des Superstars hat mittlerweile Dika Mem übernommen. Der 25-Jährige wird von nicht wenigen Experten als kommender Welthandballer gesehen. Egal ob Spielübersicht, Geschwindigkeit oder Torgefahr: Der Franzose vereint alle Qualitäten, die ein Weltklasse-Rückraumspieler braucht.

Dazu hatte er trotz seiner Jugend schon die Erfahrung von vor Turnierstart über 300 Treffern in 96 Länderspielen aufzubieten. Wird er bei diesem Turnier endgültig zum Anführer seines Teams, darf sich Frankreich berechtigte Hoffnungen auf Titel Nummer sieben machen.

Auch der ehemalige DHB-Spieler Strobel ist von den Anlagen der Franzosen begeistert. „Frankreich gehört für mich immer zu den Favoriten. Es ist unglaublich, wie konstant sie das über Jahre hinweg machen, staunt der 36-Jährige.

Der Auftakt ist mit einem 26:24-Sieg gegen Co-Gastgeber Polen schon mal gelungen.

2. Schweden (WM-Titel: 4)

Die Skandinavier gehen mit dem Selbstbewusstsein eines Europameisters in das Turnier. Dazu hat das Team als Co-Gastgeber die Zuschauer hinter sich.

Faktoren, die eine tragende Rolle bei der Jagd auf den WM-Pokal spielen können. Als Gastgeber „gehörst du natürlich zum Favoritenkreis“, bestätigte Schwarzer diesen Eindruck. „Erst recht wenn ein Gastgeber Schweden heißt“, fügte der gebürtige Braunschweiger hinzu.

Für Strobel gehört der viermalige Weltmeister derweil „in die Spitze. Ich bin gespannt, wie die mit dem Druck, als Europameister in die Weltmeisterschaft zu gehen, umgehen.“

Die Motivation sowie eine fast schon beängstigende Stärke in der Defensive machen den viermaligen Titelträger zum ersten Jäger Dänemarks. Vor allem Torhüter Andreas Palicka und Kapitän Jim Gottfridsson bilden die beeindruckende Achse in der schwedischen Defensive.

Doch die Gastgeber nur auf die Verteidigung zu reduzieren, würde diesem Team nicht gerecht. Gottfridsson ist nicht nur der Turm in der Abwehr, sondern sorgt mit seinem einzigartigen Passspiel für ständige Offensivgefahr bei eigenem Ballbesitz. Der 30-Jährige trägt Schweden damit sowohl am eigenen als auch am gegnerischen Kreis.

Nach 24 Jahren will der ehemalige Rekord-Weltmeister endlich wieder an die Spitze der Handballwelt.

1. Dänemark (Titelverteidiger, WM-Titel: 2)

Mit zwei WM-Triumphen in Folge ist Dänemark auch in diesem Jahr wieder Top-Favorit auf die WM-Krone. Allerdings hat sich das Team von Trainer Nikolaj Jacobsen die Position nicht nur wegen vergangener Erfolge verdient.

Kein anderes Team kann mit einer derartigen Kaderbreite aufwarten und hat zugleich so viele Spitzenspieler im Aufgebot. Vor allem zwei Namen dürften bei jedem Gegner Kopfschmerzen verursachen: Mikkel Hansen und Niklas Landin. „Personell ist Dänemark ganz weit vorne“, betont „Blacky“ Schwarzer und untermauert die Favoritenrolle der Dänen: „Erfahrungsgemäß haben sie dazu immer ein sehr, sehr gutes Torhütergespann.“

Dazu spielen zwölf der 18 Spieler in der deutschen Bundesliga. Die Hälfte davon ist bei der SG Flensburg-Handewitt im Einsatz. Verständnisprobleme dürfte es also keine geben. (DATEN: Alle Spiele und Ergebnisse der Handball-WM)

Doch bei all dem Top-Personal ist Dänemark von Hansen und Landin abhängig. Vor allem hinter Hansen dürfte zumindest ein kleines Fragezeichen stehen, inwieweit er nach seiner Lungenembolie bereits wieder die Strapazen eines WM-Turniers meistern kann. Sollten die beiden jedoch einmal mehr zur Höchstleistung auflaufen, dürfte Dänemark kaum zu schlagen sein.