Werder und der Weg in die Krise

Von Nico Stankewitz

Werder und der Weg in die Krise

Mit großen Hoffnungen gestartet, steht Werder mitten im Abstiegskampf. Die Krise ist hausgemacht – aber inzwischen verfügt man über den wohl schwächsten Kader der Bremer Bundesligageschichte.

Ergebnistechnisch befindet sich Werder Bremen nach vier Niederlagen hintereinander im freien Fall, aber beinahe ein Jahr nach dem Amtsantritt von Viktor Skripnik machen vor allem die Leistungen im bisherigen Saisonverlauf noch größere Sorgen als der Blick auf die Tabelle. Viele Systemveränderungen, Einsätze der Profis auf ungewohnten Positionen, überraschende Nominierungen und Nicht-Nominierungen – es gibt auch Anzeichen, dass im Trainerteam von Skripnik Unsicherheit eingekehrt ist. Die vielen Bastelarbeiten und Umstellungen zeigen nicht gerade viel Vertrauen in die Nachwuchsspieler im bisherigen Saisonverlauf. Dabei war es gerade diese Art, die Werder nach dem Trainerwechsel in der Saison 14-15 wieder stark gemacht hatte: völlig unaufgeregt an die eigenen Stärken zu glauben und den Spielern auch genau das zu vermitteln.

Eine Rückblende: Der Juli war ein goldener Monat für die Werder-Fans. Von Beginn der Vorbereitung an spielte die Mannschaft wie aus einem Guss und gewann Spiel um Spiel. Experimente gab es dabei praktisch keine: Die Erstbesetzung schien schon sehr früh zu stehen, es wurde konsequent mit Raute im Mittelfeld und der Doppelspitze Di Santo/Ujah gespielt – Höhepunkt dabei war ein restlos überzeugender 4-0 Erfolg gegen RB Salzburg in einem 45-Minuten-Match beim Audi-Quattro Cup. Alles funktionierte und man durfte an der Weser von einer großen Saison träumen. Zwei bemerkenswerte Personalien aus dieser Zeit: Der 18-Jährige Maximilian Eggestein spielte als 10er hinter den Spitzen immer im ersten Offensivblock und der 19-Jährige Schweizer Ulisses Garcia überzeugte als Linksverteidiger. Diese erste Formation schien wunderbar zu funktionieren, insbesondere Junuzovic und Di Santo harmonierten prächtig mit Neuzugang Anthony Ujah.

Und dann ging Di Santo...

Der Traum endete brutal und zum schlimmsten Zeitpunkt. Tag der Fans, Bremer Weserstadion. Ausstiegsklausel Di Santo. Und tschüß. Exakt sieben Tage vor dem ersten Pflichtspiel. Mit dem Abstand von zwei Monaten ist klar: Das war der Moment, der das Team aus dem Juli zerstörte. Manchmal reicht es beim Fußball, wenn ein Spieler aus der Gruppe herausgebrochen wird, um die Balance nachhaltig zu verändern, in diesem Fall war es so. Schlimmer noch, auch Skripnik wich schnell vom Weg ab. Eggestein erhielt nur eine halbherzige Chance, sich in der Bundesliga zu etablieren, Junuzovic und Fritz als Fixpunkte auf den Halbpositionen wurden ständig verschoben. Der Versuch, mit den beiden guten Linksverteidigern namens Garcia gleichzeitig zu spielen, hat auch nicht wirklich überzeugt.

Psychologisch erholt hatte die Fanseele sich durch die Verpflichtung des zuvor arbeitslosen Claudio Pizarro, der in Bremen Anfang September zum dritten Mal unterschrieb und als Werder-Idol für eine Erfahrung und Qualität steht, die der Kader eigentlich gut gebrauchen könnte. Aber: Der Peruaner hat keine Vorbereitung absolviert und wird Zeit benötigen, um die nötige Form zu finden. Und die zweite Sturm-Alternative Aaron Johannsson? Der US-Isländer hat eine durchwachsene Saison in Holland hinter sich mit einigen Verletzungspausen. Zweifellos hat er Fähigkeiten, mit denen er Bundesliga spielen kann, aber er wird noch einiges an Zeit benötigen – auch ein Franco di Santo hat ein paar Monate gebraucht, um Leistungsträger bei Werder zu werden.

Skripnik ohne Alternative

Und wie sieht das Rezept für den Werder-Trainer aus? Kurzfristig hat Skripnik wenig Alternativen im Angebot. Es gibt keinen zweiten Anzug, sondern nur die Chance, aus den Nachwuchsleuten mit viel Vertrauen Bundesligaspieler zu machen und damit wieder einen komplett erstligatauglichen Kader zu entwickeln. Nach den Sünden der vergangenen Jahre, als Geschäftsführer Thomas Eichin mit katastrophalen Personalentscheidungen und Fehleinkäufen eine Reihe von Millionenverlusten verantworten musste, sind die in den Champions League-Jahren angehäuften Rücklagen restlos aufgebraucht – insofern wird sich auch im Winter im Kader nicht viel tun. Wenn man sich die Spiele der vergangenen Monate anguckt, kann es nur einen Kurs geben: Rückkehr zur Raute, Vertrauen in die erste Elf, Vertrauen in die Jugendspieler als Nachrücker, Vertrauen in Automatismen – und ob man das jetzt Werder-Weg, Skripnik pur oder Schaaf reloaded nennt spielt keine Rolle. Aber auch im günstigsten Fall bleibt es ein hartes Jahr – im Kader fehlt es einfach an Substanz und Qualität.