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Wie der Vater, so die Tochter: Tammara Thibeault boxt sich zu den Olympischen Spielen durch

Dieser Artikel ist Teil der exklusiven Yahoo-Serie "Wie man einen Olympioniken großzieht". Dafür haben wir mit olympischen Athleten und ihren Eltern gesprochen, um einzigartige Einblicke in die Anfänge der Karrieren von Spitzensportlern zu gewinnen. Sehen Sie hier das Interview im Video - bitte drücken Sie den "CC"-Button für deutsche Untertitel:

Tammara Thibeault möchte die erste kanadische Boxerin werden, die eine olympische Medaille gewinnt. Ihre Laufbahn begann, als sie mit neun Jahren ihren Vater boxen sah.

In der Familie Thibeault galt für alle sechs Familienmitglieder stets das Motto: Nichts ist unerreichbar.

Tammara Thibeault, zweites der vier Kinder von Patrick and Judeline Thibeault, wird bei den Olympischen Spielen 2020 Kanada im Boxen vertreten und möchte der Welt zeigen, dass sie ihr Talent wirklich genutzt hat.

"Das wichtigste Ziel ist, mein Potenzial voll auszuschöpfen", sagt Tammara Thibeault. "Denn darum geht es doch im Sport, oder? Sein Potenzial voll auszuschöpfen, und das gelingt nur sehr wenigen."

Tammara Thibeault möchte aber darüber hinaus die Spitze im Boxsport erreichen. "Ich möchte eine Goldmedaille zurück nach Kanada bringen und die erste Frau sein, der dies gelingt", sagt sie.

Tammara Thibeault gegen Nouchka Mireille Fontijn bei den AIBA Women's World Boxing Championships in Neu-Delhi 2018 (Bild: Money SHARMA / AFP)
Tammara Thibeault gegen Nouchka Mireille Fontijn bei den AIBA Women's World Boxing Championships in Neu-Delhi 2018 (Bild: Money SHARMA / AFP)

Bislang hat keine Boxerin aus Kanada eine Medaille erkämpfen können, seit der Boxsport für Frauen 2012 ins Programm der Spiele aufgenommen wurde. Tammara Thibeault, die bei den Weltmeisterschaften 2019 Bronze gewann, ist damit bestens positioniert, Geschichte zu schreiben.

Tammara Thibeault hat die Liebe zum Boxen von ihrem Vater Patrick geerbt, der auf eine beeindruckende Sportlerlaufbahn zurückblicken kann. 2001 gewann Patrick mit der Mannschaft von St. Mary’s in Halifax (Nova Scotia) den Vanier Cup, die Meisterschaft im kanadischen Universitäts-Football. Danach wurde er von den Saskatchewan Roughriders der kanadischen Footballliga CFL unter Vertrag genommen und spielte drei Spielzeiten lang in der Position des Wide Receivers.

Nach seiner Karriere im Football wandte Patrick sich dem Boxen zu. Natürlich konnte er es damals nicht wissen, aber seine Entscheidung, in den Ring zu steigen, würde später seine Tochter inspirieren.

"[Patrick] war in seiner Jugend ein Sportler, wie ich es jetzt bin", sagt Tammara Thibeault. "Ich habe stets zu ihm aufgesehen. Und eines Tages sah ich ihn in einem seiner Kämpfe. Meine Mutter hatte uns alle in eine Kleinstadt namens Swift Current mitgenommen. Dies war das erste Mal, dass ich meinen Vater in einem Kampf sah und er hat den anderen Burschen schlicht vermöbelt. Ich dachte, das ist einfach cool."

Tammara Thibeault mit ihren Eltern (Bild: Privat)
Tammara Thibeault mit ihren Eltern (Bild: Privat)

"Ich kann mich erinnern, dass ich dachte 'Keine Ahnung wie, aber das möchte ich auch machen.' Es ist wahrscheinlich komisch für eine Neunjährige, so etwas zu denken, aber es sah so beeindruckend aus und wirkte wirklich cool. Ich habe stets zu meinem Vater aufgesehen, er arbeitet hart und war ein sehr erfolgreicher Sportler. Das habe ich sehr bewundert."

Allerdings war Tammaras Mutter Judeline anfänglich nicht begeistert, als ihre Tochter sich für das Boxen entschied.

"Ich sehe sie nicht gern boxen", sagte Judeline. "Am Anfang habe ich ihr gesagt, wenn du mit dem Boxen aufhörst, kaufe ich dir etwas. Ich habe versucht, andere Aktivitäten für sie zu finden, aber es ist ihre Leidenschaft und deswegen sollte ich hinter ihr stehen und sie unterstützen."

"Mir wurde erstmalig wirklich klar, dass Boxen ihre Leidenschaft ist, als sie von den Commonwealth Games 2018 in Australien zurück kam. Sie kam mit zwei blauen Augen und einer geschwollenen Nase zurück und sie lächelte, als ob dies der beste Tag ihres Lebens sei", setzt sie fort. "Als Mutter war ich stolz, aber gleichzeitig sauer auf ihre Gegnerin, die Tammara so zugerichtet hatte.“"

Tammara Thibeault gewann bei den Commonwealth Games 2018 Bronze (Bild: REUTERS/Athit Perawongmetha)
Tammara Thibeault gewann bei den Commonwealth Games 2018 Bronze (Bild: REUTERS/Athit Perawongmetha)

Obwohl Boxen nicht Judelines erste Wahl für Tammara war, ist es keine Frage, dass sie ihre Tochter voll unterstützt. "Als ich verstanden hatte, dass das ihre Leidenschaft ist, hieß das Motto volles Engagement und nicht aufhören, bevor das Ziel erreicht wurde", sagt sie. "Es geht nicht um meine Ziele, nicht die Ziele des Trainers, sondern ihre Ziele. Und wir unterstützen sie schlicht dabei."

Tammara Thibeault sagt über sich selbst, dass sie ein "intensives" Kind war und diese Qualität hat sie auch im Alltagsleben. So spricht sie beispielsweise drei Sprachen fließend: Englisch, Französisch und Spanisch. Sie wurde in St. Georges (Quebec) geboren und ist also mit Englisch und Französisch aufgewachsen, aber ihre Entschlossenheit und Hingabe, Spanisch zu lernen, haben ihre Familie sehr beeindruckt.

"Ich sah sie am Küchentisch sitzen und Bücher bestellen, ein Spanischbuch bei Amazon", sagt Patrick. "An dem Tag hat sie sich entschieden, Spanisch zu lernen und jetzt spricht sie fließend Spanisch, Französisch und Englisch. All das verdankt sie diesem Talent und dieser Arbeitseinstellung."

Tammara Thibeault gegen Jessica Caicedo Sinisterra bei den Pan American Games 2019 (Bild: REUTERS/Ivan Alvarado)
Tammara Thibeault gegen Jessica Caicedo Sinisterra bei den Pan American Games 2019 (Bild: REUTERS/Ivan Alvarado)

Zudem ist Tammara Thibeault seit 2018 Vegetarierin. Diese Entscheidung verlangt eine Menge Selbstdisziplin und Beherrschung, vor allem, da sie in ihrer Jugend viel Fleisch gegessen hatte. Aber Tammara und ihre Eltern haben festgestellt, dass sie seit der Umstellung ihrer Essgewohnheiten große Fortschritte im Boxen gemacht hat.

Mit 24 Jahren nimmt Tammara Thibeault das erste Mal an den Olympischen Spielen teil und die Tugenden, die ihre Eltern ihr vermittelt haben: Leidenschaft, harte Arbeit, Intensität und Disziplin, werden ihr auf der ganz großen Bühne des Sports helfen.

Und niemals zu vergessen: Nichts ist unerreichbar.

Steven Psihogios