Was will Boateng bei Lyon?

Jérôme Boateng zu Olympique Lyon: für das französische Fachmagazin l‘Équipe nicht weniger als “eine Explosion am Ende des Sommermarktes“.

Eine “Meisterleistung“ sei der Transfer des 76-maligen deutschen Nationalspielers.

Der Weltmeister von 2014 schließt sich einem Klub mit großen Namen im französischen Fußball an, der allerdings schon länger keine sportlichen Schlagzeilen mehr schreibt, die weit über die Landesgrenzen hinaus gehen. (NEWS: Alles zum Transfermarkt im SPORT1-Transferticker)

“Ich mag es, gegen die Besten der Welt anzutreten”

“Die französische Liga ist immer attraktiv. Nach diesem verrückten Transfer-Fenster zieht sie nun auch andere Spieler an”, sagte Boateng bei seiner Vorstellung. “Für mich persönlich hat es natürlich eine Rolle gespielt, aber ich habe mich nicht für den Wechsel entschieden, weil Messi oder andere Spieler hierher gekommen sind. Aber so mag ich es am meisten: gegen die besten Spieler der Welt anzutreten. Mit Leo Messi habe ich gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Ich weiß gar nicht, ob noch jemand sagen kann, dass er gute Erfahrungen mit ihm als Gegner hatte.”

Boateng, der beim FC Bayern nach zehn Jahren keinen neuen Vertrag mehr bekam, wird mit Lyon nicht in der Champions League vertreten sein.

Bahnt sich also ein ruhiger Abschied von der großen Fußballbühne an? Oder will er mit seinem Wechsel zum großen Sturm gegen das übermächtig erscheinende Paris Saint-Germain blasen?

Der Glanz von Olympique Lyon ist verblasst

Letzteres erscheint derzeit noch recht weit entfernt. In der vergangenen Spielzeit, in der PSG schwächelte und nur Vizemeister hinter dem OSC Lille wurde, landete OL auf dem vierten Rang. Dadurch gelang immerhin die Qualifikation für die Europa League, doch die Platzierung steht auch sinnbildlich für die Entwicklung des Traditionsklubs.

Die Königsklasse ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr für Lyon - vielmehr die Ausnahme. Vom Jahr 2002 bis 2008 hatte der Klub noch sieben Meisterschaften in Folge gefeiert. Seitdem kam keine hinzu, der Glanz der vergangenen Tage ist verblasst.

Hoffnung auf eine Auferstehung der alten Ansprüche und Erfolge ist in diesem Jahr kaum gegeben. Der Saisonstart war schlecht, erst am vergangenen Wochenende gelang der erste Sieg - am 4. Spieltag. Mit fünf Punkten liegt OL auf Rang neun der Tabelle der Ligue 1.

Boateng soll defensiv Löcher stopfen

Gerade in der Defensive offenbarte Lyon große Schwächen. In zwei der vier Ligaspielen kassierte das Team drei Gegentore. Gegen Angers und Clermont Foot - nicht gerade die größten Namen im französischen Fußball.

Boateng kommt daher gerade recht und stellt einen Transfer-Coup für Olympique dar. Wenn er ansatzweise an seine Leistungen bei den Bayern - auch den jüngsten - anknüpfen kann, dann dürfte der 32-Jährige keine Probleme haben, sich schnell einen Stammplatz in der wackligen Defensive zu erspielen.

Zu Saisonbeginn hatte Coach Peter Bosz noch auf den 18 Jahre alten Castello Lukeba und den 34 Jahre alten Marcelo im Abwehrzentrum gesetzt. Dann wechselte der Niederländer, der in Deutschland Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund trainierte, auf die Innenverteidiger Damien Da Silva (33) und Sinaly Diomandé (20). Allesamt keine großen Namen.

Boateng trifft auf Weggefährten Shaqiri

Das gilt auch für das restliche Team Lyons, das ohne den ganz großen Star auskommt. Houssem Aouar (23), Bruno Guimaraes (23) und Lucas Paquetá (24) sind allerdings ambitionierte Spieler, denen der Sprung zu einem Top-Klub auf jeden Fall zugetraut wird. Doch genau das ist der Punkt: Top-Spieler bleiben nicht mehr bei Lyon, sondern gehen den nächsten Schritt.

Oder sie kommen, um sich wieder für einen Top-Klub zu empfehlen, wie es bei Xherdan Shaqiri der Fall ist. Den Schweizer kennt Boateng noch von einer gemeinsamen Zeit bei den Bayern. Von 2012 bis 2015 war Shaqiri beim deutschen Rekordmeister unter Vertrag. Nun ist er vom FC Liverpool nach Lyon ausgeliehen.

Für Shaqiri dürfte Ähnliches gelten, wie für Boateng. Beide würden wohl lieber für einen Champions-League-Klub spielen. Boateng hatte sich auch nach vielen Verletzungen immer wieder in die Startelf der Münchner gespielt. Es wäre ihm durchaus ein größerer Klub zuzutrauen gewesen.

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Doch für beide ist Lyon auch eine gute Alternative. Immerhin handelt es sich um einen ambitionierten Klub, der international spielt und den Riesen aus Paris ein wenig ärgern will. Mit Bosz lenkt ein anerkannter Coach die Geschicke.

Duell mit Messi, Mbappé und Neymar

Fakt ist, dass die Ligue 1 als vierte oder eher fünfte Liga in Europa genannt wird. Die letzte Saison hat aber gezeigt, dass sie spannend sein kann und dass einige Teams den Wettbewerb mit PSG annehmen können.

Ein Duell mit Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar - das klingt dann doch nach großer Fußball-Bühne.

Und wer weiß, vielleicht haucht “Boa” seinem neuen Klub tatsächlich neues Leben ein - oder wie er es selbst bei seiner Vorstellung formulierte. “Man startet unten, aber man muss sich dann hocharbeiten. Das ist wichtig und ein Teil meines Lebens”.