"Uns geht es beschissen": Deutscher WM-Traum geplatzt

Kapitän Uwe Gensheimer und seinen Teamkollegen standen auf ihrer Ehrenrunde die Tränen in den Augen, Bundestrainer Christian Prokop saß zusammengesackt auf seiner Bank.

Als die deutschen Handballer durch das 25:31 (12:14) gegen Norwegen im WM-Halbfinale aus allen Titelträumen gerissen worden waren, herrschte große Enttäuschung und Niedergeschlagenheit. Die bittere Gewissheit: Das Wintermärchen bleibt ohne goldenes Happy End. "Uns geht es beschissen", sagte Gensheimer in der ARD.

Prokop räumte ein, dass die Niederlage verdient war. "Wir haben nicht unsere beste Leistung gebracht. Wir haben keine guten Lösungen gefunden und die Verunsicherung mit in den Angriff genommen", sagte der Bundestrainer.

Im Spiel um Bronze geht es am Sonntag in Herning gegen den entthronten Titelverteidiger Frankreich um die erste WM-Medaille seit dem legendären Goldcoup 2007. (Handball-WM: Spiel um Platz 3 Frankreich gegen Deutschland ab 14.30 Uhr im LIVETICKER)

"Alles gegeben, aber nichts erreicht"

"Wir haben uns das anders vorgestellt und ein anderes Ergebnis gewünscht", sagte Finn Lemke mit leerem Blick: "Wir haben alles gegeben, aber es hat nicht gereicht."

Bester Werfer bei der ersten Turnierniederlage war Gensheimer mit sieben Toren. Der starke Fabian Böhm erzielte sechs Treffer, doch die Angriffsleistung war insgesamt zu schwach.

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Brand und Grindel drücken Daumen

Unmittelbar nach der Begegnung reiste das DHB-Team mit dem Bus in das 350 km entfernte Herning. Im Finale (Handball-WM: Finale Dänemark gegen Norwegen ab 17.30 Uhr im LIVETICKER) spielen Co-Gastgeber Dänemark und Vize-Weltmeister Norwegen um ihren ersten WM-Titel. Olympiasieger Dänemark hatte im ersten Halbfinale Titelverteidiger Frankreich beim 38:30 (21:15) entzaubert.

Vor der Neuauflage des EM-Halbfinalkrimis von 2016 (34:33 n.V.) erhielt das DHB-Team prominente Unterstützung. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Fußball-Bundestrainer Joachim Löw wünschten per Grußbotschaft viel Glück und Erfolg.

Auch unter die 12.500 Zuschauer in der ausverkauften Arena am Volkspark hatte sich viel Prominenz gemischt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fieberte ebenso mit wie Handball-Ikone Heiner Brand und DFB-Präsident Reinhard Grindel.

Deutschland gegen Norwegen mit Problemen

Sie alle sahen eine von Beginn an hektische und vom Kampf geprägte Partie. Das DHB-Team tat sich aus dem Positionsangriff heraus schwer, die mit zahlreichen Bundesliga-Legionären angetretenen Norweger erwiesen sich als die bisher härteste Prüfung in diesem Turnier.

Die deutsche Abwehr stemmte sich den "Wikingern" mit ihrem spielstarken Topstar Sander Sagosen aber entgegen. Die Partie blieb daher zunächst ausgeglichen, die Führung wechselte ständig.

Kleinliche Schiedsrichter, viele Strafen

Prokop nahm beim Stand von 7:8 (19.) den glücklosen Torhüter Andreas Wolff vom Feld und brachte Silvio Heinevetter. Wolff war nicht gerade begeistert, Teammanager Oliver Roggisch tröstete den Kieler.

Die Begegnung wurde immer umkämpfter und die kleinlich pfeifenden Schiedsrichter aus Tschechien verhängten viele Zeitstrafen. Die flinken Norweger kamen damit besser zurecht und gingen beim 10:13 (26.) erstmals mit drei Toren in Führung.

"Das ist ein riesiger Kampf. Es ist aber noch alles möglich für Deutschland. Sie müssen aber cleverer sein", sagte der ehemalige Bundestrainer Dagur Sigurdsson in der Halbzeitpause in der ARD. Roggisch forderte derweil, "mutiger vorne zu sein".

Wolff sauer, Pekeler fliegt

Prokop, der die Zuschauer beim Gang in die Kabine noch einmal zu noch mehr Unterstützung animierte, brachte Wolff zu Beginn des zweiten Durchgangs wieder zurück ins Tor. Doch die Maßnahme war nicht von Erfolg gekrönt. Norwegen setzte sich auf 15:19 ab (37.).

Wolff tobte, Prokop nahm eine Auszeit. "Wir sind nicht auf dem Level", sagte der Bundestrainer: "Aber wir haben noch 20 Minuten Zeit."

Sein Team kämpfte, wurde aber in der 44. Minute personell geschwächt. Abwehr-Ass Hendrik Pekeler sah nach seiner dritten Zeitstrafe die Rote Karte.

DHB-Team vorne zu harmlos, hinten anfällig

Im Angriff tat sich die DHB-Auswahl zudem weiter schwer, Lösungen zu finden. Das bisher so starke deutsche Abwehr-Bollwerk offenbarte die ein oder andere Lücke.

Die Folge war ein 22:26-Rückstand in der 53. Minute. Böhm stemmte sich gegen die Niederlage, das DHB-Team verkürzte auf 25:27 (57.). Doch am Ende jubelten die Norweger.

Das erste Halbfinale wurde zur großen Show von Mikkel Hansen. Der furios aufspielende Teamkollege von Gensheimer bei Paris St. Germain erzielte zwölf Treffer und war von den Franzosen nie zu kontrollieren.

Das Spiel im Stenogramm:

Deutschland - Norwegen 25:31 (12:14)

Tore Deutschland: Gensheimer (Paris/7/4), Böhm (Hannover/6), Wiede (Berlin/5), Groetzki (Rhein-Neckar Löwen/2), Drux (Berlin/1), Pekeler (Kiel/1), Suton (Lemgo/1), Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen/1), Musche (Magdeburg/1/1)
Tore Norwegen: Röd (7), Myrhol (6), Sagosen (6), Jöndal (4/3), Björnsen (3), Johannessen (2), Gullerud (1), O Sullivan (1), Tangen (1)
Schiedsrichter: Horacek/Novotny (Tschechien)
Zeitstrafen: 7:3
Rote Karte: Pekeler (44.) nach dritter Zeitstrafe
Siebenmeter: 5/5:3/3
Zuschauer: 12.500 (ausverkauft)