Ihr wollt euer Gehalt schon zwei Wochen früher bekommen? Das steckt hinter dem „Flexible Pay“-Trend aus den USA

Das Gehalt nicht erst am Ende des Monats auf dem Konto haben? Das geht beim neuen „Flexible Pay“ Trend. - Copyright: getty images
Das Gehalt nicht erst am Ende des Monats auf dem Konto haben? Das geht beim neuen „Flexible Pay“ Trend. - Copyright: getty images

Juristisches Halbwissen kann viel Ärger, Zeit und Geld kosten. Ihr wollt eure Nerven und euer Portemonnaie lieber schonen? Dann ist unsere Kolumne „Kenne deine Rechte“ genau das Richtige für euch. Hier beantwortet Rechtsanwalt Pascal Croset von der Berliner Kanzlei Croset alle zwei Wochen eine Frage rund ums Arbeitsrecht. In dieser Woche geht es um Flexible Pay.

Der Wunsch nach Flexibilität am Arbeitsplatz steigt stetig an. Neben flexiblen Arbeitszeiten und einem flexiblen Arbeitsort bieten einige Unternehmen nun ein neues Incentive: „Flexible Pay“. Doch was versteckt sich hinter dem Trend aus den USA? Und wie können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihn auch in Deutschland nutzen?

Was ist „Flexible Pay“?

Wortwörtlich übersetzt bedeutet „Flexible Pay“ so viel wie „flexible Zahlung“. Gemeint ist damit, dass der Zahltag des Gehalts individuell bestimmt werden kann – und damit die Wartezeit auf das Gehalt verkürzt. Normalerweise bekommen Angestellte ihr Gehalt erst am Ende des Monats oder am Anfang des nächsten Monats. Spätestens am ersten Tag des Folgemonats – dem berühmt „nächsten Ersten“ – muss euer Arbeitgeber euch das Geld überwiesen haben, laut Gesetz.

Aber: Im Arbeitsvertrag kann auch ein früherer oder späterer Termin festgelegt werden. Zulässig ist eine Auszahlung bis maximal dem 15. des Folgemonats. Vom ersten Arbeitstag aus gesehen sind es also sechs Wochen, die Angestellte auf ihr Geld warten müssen. Eine lange Zeit, gerade bei niedrig vergüteten Tätigkeiten.

Gender Pay Gap
Gender Pay Gap

Durch einen flexiblen Zahltag jedoch wird den Angestellten selbst überlassen, wann sie ihr Gehalt einfordern möchten – und bekommen dadurch mehr Kontrolle über ihre private finanzielle Situation. Dabei könnt ihr bereits den Betrag einfordern, den ihr bis zum jeweiligen Zeitpunkt schon erarbeitet habt. Verdient ihr beispielsweise 3000 Euro pro Monat, die normalerweise zum Monatsende ausgezahlt werden, könntet ihr bereits am 15. des laufenden Monats 1500 Euro einfordern.

Bereits jetzt besteht die Möglichkeit, euren Arbeitgeber um einen Vorschuss zu bitten. Viele Angestellte empfinden das allerdings als unangenehm. Außerdem sind die bürokratischen Hürden für eine solche Einzelfallentscheidung hoch. Bis die Geschäftsführung in einem durchschnittlich großen Unternehmen dies im Einzelfall genehmigt hat, ist das Monatsende schon fast erreicht.

Bietet ein Unternehmen hingegen die Option direkt anbietet, fühlt es sich wahrscheinlich deutlich weniger nach Almosen an. Zudem sorgt der strukturierte Prozess für effiziente und schnelle Abläufe. Eine Einzelfallentscheidung entfällt, da ja aus dem Tag der Beantragung sich schon ergibt, welchen Anteil des Monatslohns der Arbeitnehmer schon verdient hat. Am 15. Juni stehen euch beispielsweise 50 Prozent zu, am 14. Juni könnt ihr 46,6 Prozent ausgezahlt bekommen. In Branchen mit Stundenlohn (wie zum Beispiel der Gastronomie) könnte sich die Auszahlung an der Anzahl der zum Stichtag bereits geleisteten Stunden orientieren.

Den „Earned Wage Access“ gibt es bereits in einigen Firmen

Die Umsetzung von Flexible Pay kann unterschiedlich gestaltet werden. Durch den sogenannten „Earned Wage Access“ (EWA) können Arbeitnehmer digital auf ihr Gehalt zugreifen und es bei Bedarf abheben. Die EWA-Methode ist in den USA und Großbritannien bereits gängige Praxis. Auch in Deutschland haben EWA-Lösungen bereits faktisch Einzug gehalten: Uber-Fahrer dürfen beispielsweise direkt nach Erbringung der Arbeitsleistung auf einen Teil ihrer Vergütung zugreifen.

Vorteile und Nachteile von Flexible Pay

Die Einführung eines flexiblen Zahltages bringt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschiedene Vorteile mit sich. Zum einen erhalten sie eine sichere und diskrete finanzielle Unterstützung in Situationen, in denen es schnell gehen muss. Der Arbeitnehmer kann kurzfristig seine Liquidität wiederherstellen und eine finanzielle Notlage leichter überwinden oder zumindest bis zum nächsten regulären Zahltag aushalten.

Gerade in privaten, finanziellen Krisen kann die Unterstützung des Arbeitgebers essenziell sein. Und: Die Arbeitsatmosphäre kann auch zur Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung beitragen. Wer die Autowerkstatt um Geduld bitten oder unfreundliche Inkassobriefe beantworten muss, ist abgelenkt. Daher steigern solche Angebote die Attraktivität des Unternehmens und sind Teil eines Paketes aus Benefits und Incentives. Gerade in einer Brache mit enormem Wettbewerbsdruck kann das einen entscheidenden Vorteil bedeuten. Im Idealfall erhöht der Arbeitgeber die Motivation und Produktivität seiner Mitarbeiter – und somit auch seine Effizienz.

Letztendlich ist Flexible Pay aber im Kern ein sehr kurzfristiger Kredit des Arbeitgebers. Und die Gefahr der Arbeitnehmer, sich zu verschulden, ist nicht zu unterschätzen. Denn wer Mitte des Monats Einnahme abzieht, hat sie zum Ende des Monats nicht mehr zur Verfügung, um die dann fällig werdenden Kosten zu begleichen.