Mein WSOP-Drama

Mein WSOP-Drama
Mein WSOP-Drama

WSOP – bei diesen 4 Buchstaben schlagen die Herzen von allen ambitionierten Pokerspielern sofort  höher. Die Abkürzung steht für World Serie of Poker. Es ist die Poker-Weltmeisterschaft, die jedes Jahr von Ende Mai bis Mitte Juli in Las Vegas ausgetragen wird. Für Pokerprofis ist es eine absolute Pflichtveranstaltung. Da muss man einfach hin. Viele sind die ganzen 7 Wochen über im amerikanischen Spielerparadies, mieten sich mit Kollegen ein Haus an und nehmen an so  vielen der 88 Turniere teil wie nur eben möglich. Manche kommen hingegen erst zur Endphase um das Main-Event zu spielen. Andere nur um Cashgame spielen, die rund um die Uhr stattfinden. Es ist auf jeden Fall eine ganz besondere und spezielle Zeit.  Für diejenigen unter den Lesern, die vielleicht nicht so tief drin sind in der Szene, möchte ich die WSOP etwas genauer erklären. Was genau kann man sich darunter vorstellen? Wieso dauert die Turnierserie so lange? Und wieso ist die WSOP das Event auf diesem Planeten, bei dem das höchste Preisgeld unter allen Sportevents zu gewinnen gibt?

In diesem Jahr hat die Poker-Weltmeisterschaft am 31.5. mit Event#1 begonnen. Und sie endet am 20. Juli mit Turnier-Nr. 88. In den 7 Wochen dazwischen finden etliche diverse Turniere statt. Man kann es sich als Außenstehender vielleicht wie bei einer Schwimm-WM vorstellen, wo es auch diverse Disziplinen (Freistil, Brust, Rücken, Schmetterling) gibt. Und eben verschiedene Distanzen. Von der Kurzstrecke hin bis zum 1.500m Rennen. Exakt so ist es auch beim Pokern. Es gibt verschiedene Spielformate und innerhalb der Formate unterschiedliche Buy-Ins. Vom ganz kleinen Startgeld in Höhe von $400 geht es hoch bis zu einem Startgeld von $250.000! Kein Druckfehler – eine Viertelmillion Dollar um an einem Pokerturnier teilzunehmen. Es ist für die Super High Roller gedacht, wobei hier nicht nur Pokerprofis mit von der Partie sind, sondern wo sich gern auch mal ein reiche Unternehmer, Schauspieler oder Sportler mit den Stars der Szene messen. Und noch ein paar Zahlen. Im Jahr 2019 bei der letzten Austragung vor der Pandemie, haben bei den Turnieren der WSOP $293.000.000 den Besitzer gewechselt. Nur zum Vergleich. Bei den diesjährigen French Open im Tennis gibt es einen Gesamtpool von 43 Millionen Euro.

Der Traum Main Event

Höhepunkt dieser Turnierserie ist alljährlich Zweifels ohne das Main-Event. Hier wird der eigentliche Pokerweltmeister ermittelt. Das Main-Event der WSOP unterscheidet sich allein schon deshalb von Weltmeisterschaften in anderen Sportarten, weil eben jeder mitspielen darf. Jeder, der möchte und die Startgebühr in Höhe von 10.000$ auf den Tisch legt. Hier trifft man bzw. der Pokerprofi dann auch auf Hobbyspieler, die jahrelang gespart haben um sich den Lebenstraum, einmal an diesem Turnier teilzunehmen, zu erfüllen. Aber auch Profisportler aus der NBA, aus der NFL oder aus der NHL findet man regelmäßig in den Teilnehmerlisten. Oder Schauspieler wie Ben Affleck, Matt Damon oder Tobey „Spiderman“ Maguire. Es wimmelt dort von Prominenz aus den verschiedensten Sparten. Auch den einen Spieler aus der Fußball-Bundesliga zieht es in dieser Zeit nach Las Vegas. In diesem Jahr könnte beim Main-Event die Zahl von 10.000 Teilnehmern geknackt werden. Jeder einzelne Spieler erhält zum Start 60.000 Chips. Und es wird solange gespielt, bis ein Spieler nach 10 langen und extrem anstrengenden Tagen übrig bleibt und alle (!) Chips vor sich stehen hat. Das geht definitiv auch an die körperliche Substanz.

Mein persönliches Drama

Ich habe dieses Turnier 2015 mitgespielt und die physische Komponente völlig unterschätzt. Im letzten Level von Spieltag 1 wäre ich fast eingeschlafen am Tisch. Am 2. Spieltag ging es etwas besser. Und mit jeder überstandenen Stunde stieg nicht nur die Spannung, sondern auch mein Adrenalinpegel. Ich hatte das Erreichen der ersten Preisgeldstufe bereits vor Augen. Es waren im letzten Level von Tag 2 lediglich noch 20 Minuten zu spielen und ich würde gut 20 Big Blinds eintüten, wenn ich in den letzten Händen nicht noch eine Premiumhand ausgeteilt bekommen würde. Dann kam eine Situation, die mich auch 7 Jahre später nachts noch quält, ja ab und an sogar aus dem Schlaf reißt. Ein Spieler, der den ganzen Tag über mit mir am Tisch saß und in knapp 10 Stunden lediglich 5 Hände spielte, erhöhte leicht. Alle anderen passten und ich wachte im Big Blind mit einem König und einen Buben auf. Ich wusste, dass er eine bessere Starthand haben würde, aber mit den vielen Chips, die bereits in der Mitte lagen, sah ich mich - entgegen meinem ursprünglichen Plan - mathematisch gezwungen mitzugehen. Und ich wurde belohnt. Mit JJ5 der Traumflop für mich! Ich hatte ihn. Jetzt galt es nur noch so viele Chips wie irgendwie möglich aus ihm rauszupressen. Und mein Gegner biss an. Turnkarte war eine 7. Riverkarte eine 4. Kein Flush möglich. Am Turn und River setzte ich. Dann jedoch kamen die Worte aus seinem Mund, die ich nie für möglich hielt. „I am All-In“! Oh Gott, mein Turnierleben stand auf dem Spiel. Wusste er, dass ich Angst hatte auszuscheiden und wollte dies für sich ausnutzen? Oder hatte er wirklich die Hand, die er repräsentierte? Ich überlegte fast 10 Minuten und entschied mich dann für den Call. Er zeigte mir tatsächlich AJ. Ich war ausgeschieden. Meine Hoffnung und das Startgeld von $10.000 zerplatzten wie eine Seifenblase. Der Gedanke an diesen Moment sowie das Ausscheiden schmerzen noch heute. Titelverteidiger dieses Events ist übrigens der Deutsche Koray Aldemir. Der 32-Jährige in Berlin geborene und mittlerweile in Wien lebende Pokerprofi setzte sich im letzten Jahr gegen 6.649 Kontrahenten durch und gewann $8.000.000. Ob auch in diesem Jahr ein Deutscher ganz oben auf dem Treppchen steht? Am 16. Juli werden wir es wissen. Und selbstverständlich werden wir von Sport1 euch auf dem Laufenden halten. Good game, wir sehen uns an den Tischen.

Martin Pott ist ehemaliger Poker-Profi, der etliche Jahre in Las Vegas gelebt & dort professionell gepokert hat. Erfahrene Spieler kennen die Stimme von Martin Pott zudem aus vielen Pokersendungen im TV, wo er seit Jahren von großen Turnieren aus der ganzen Welt berichtet. Weitere Infos zu unserem Autor findest du auch auf www.plus-ev.eu