"Blaues Auge": Deutscher Zittersieg hinterlässt Fragezeichen

Christian Prokop ballte beide Hände zu Fäusten, der Bundestrainer atmete einmal ganz tief durch, dann klatschte er sichtlich erleichtert mit seinem Matchwinner Julius Kühn ab.

Beim 28:27 (16:11)-Zittersieg gegen Lettland mussten die deutschen Handballer buchstäblich bis zur letzten Sekunde um den Einzug in die Hauptrunde der EM bangen.

"Das war keine leichte psychologische Situation, wir konnten nicht viel gewinnen, aber viel verlieren", sagte Bundestrainer Christian Prokop am ZDF-Mikrofon: "Wir hatten das Spiel bis zur 48. Minute gut im Griff, aber dann haben wir aus dem Tor nicht mehr so viel Unterstützung gekriegt, und es wurde noch richtig eng. Wichtig ist: Wir sind weiter."

Deutschland startet mit null Punkten

Allerdings startet Deutschland mit null Punkten in die Hauptrunde, in der am Donnerstag in Wien Weißrussland der erste Gegner ist. Am Samstag geht es gegen Kroatien, die beiden weiteren Gruppengegner am Montag und am Mittwoch ermitteln in der Gruppe B am Dienstag Österreich, Tschechien und Nordmazedonien.

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Mit acht Toren war Kühn der Erfolgsgarant einer Mannschaft, die bei einem Sieben-Tore-Vorsprung zwölf Minuten vor dem Ende der Partie wie der sichere Sieger aussah, dann aber völlig den Faden und um ein Haar auch noch das Spiel verlor.

"Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagte Kühn: "Auch so ein Spiel muss man erstmal gewinnen, letztlich konnten wir das Ding dann doch noch nach Hause schaukeln."

Kühn bewahrt Deutschland vor Blamage

Die Partie gegen Lettland war das Spiel des Julius Kühn, der reichlich Selbstvertrauen für die bevorstehenden Aufgaben sammelte. Mit einem Doppelschlag in der 20. und 22. Minute zum 11:7 begann die Show des zwei Meter großen Rückraum-Shooters von der MT Melsungen.

Immer wieder stieg Kühn hoch, klug in Szene gesetzt von seinen Nebenleuten um Regisseur Paul Drux, und hatte mit seinem achten Treffer zum 23:16 in der 41. Minute eine Quote von 100 Prozent.

Gegen Spanien hatte der 26-Jährige, der gegen Lettland auch als Anspieler glänzte, lediglich 8:46 Minuten gespielt und bei zwei Versuchen zwei Tore erzielt. Als Kühn gegen Lettland nicht mehr traf, kam ein Bruch ins deutsche Spiel.

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Gensheimer mit anderer Körpersprache

Deutschland kam nach etwas zähem Beginn schnell und gut ins Spiel. Im Gegensatz zum völlig verkorksten Gruppenspiel gegen Spanien (26:33) war die Körpersprache nicht nur bei Kapitän Uwe Gensheimer eine ganz andere: Die 3450 Zuschauer in Trondheim sahen eine zupackende deutsche Abwehr, die Lettlands 2,15-m-Mann Dainis Kristopans gut im Griff hatte, und eine entschlossene Offensive, der allerdings noch zu oft die Ideen im Positionsangriff fehlten.

Im Tor begann Johannes Bitter anstelle des gegen Spanien völlig indisponierten Andreas Wolff, und Bitter war es auch, der nach weitgehend ausgeglichenem Beginn in der 15. Minute eine Art Wende einleitete.

DHB-Team verliert den Faden

Der Hüne vom TBV Stuttgart parierte beim Stand von 6:6 einen Siebenmeter von Lettlands Regisseur Maris Versakovs, unmittelbar danach brachten Kreisläufer Jannik Kohlbacher (16.) Rechtsaußen Tobias Reichmann (16.) und Abwehrchef Hendrik Pekeler (18.) ihre Mannschaft mit 9:6 in Führung. In der 43. Minute war der Vorsprung beim Stand von 24:17 auf sieben Tore angewachsen.

In den letzten 15 Minuten schlichen sich dann wieder alte Fehler ins deutsche Spiel ein. "Wir führen nur noch mit drei Toren", stellte Prokop in der Auszeit nüchtern fest: "Wir müssen jetzt in die Tiefe gehen und vor allem Zeit von der Uhr nehmen. Bleibt handlungsorientiert."

Die Antwort war ein Siebenmetertor von Tobias Reichmann zum 26:22, dennoch kam Lettland noch einmal bis auf ein Tor heran.