Javi Martinez: "Ancelotti sieht mich als Innenverteidiger"

Javi Martinez: "Ancelotti sieht mich als Innenverteidiger"

Monatelang war Javi Martinez verletzt, jetzt ist er wieder eine tragende Säule im Spiel des FC Bayern München. Der Spanier spricht im Yahoo-Interview über die Vergleiche zwischen Guardiola und Ancelotti, seine Zukunft in der spanischen Nationalmannschaft, die Revanche gegen Atletico und die Chancen in der Champions League. Interview: Patrick Strasser

Frage: Der FC Bayern hat mit Carlo Ancelotti einen neuen Trainer. Es wird viel spekuliert über dessen Herangehensweise in der täglichen Arbeit. Ganz konkret: Was ist wirklich anders im Training im Vergleich zu seinem Vorgänger Pep Guardiola?

Javi Martinez: Es ist ziemlich ähnlich. Natürlich gibt es unterschiedliche Übungen, aber wenn es um die Dominanz im Spiel geht, um den Ballbesitz, unterscheiden sich beide kaum. Die Spielweise ist recht ähnlich, wir sollen viele Ballkontakte haben. Der einzige Unterschied ist die Mentalität: Pep war extrovertierter, hat alles mit höchster Intensität gemacht und kommentiert, Carlo ist der ruhigere Typ, ziemlich entspannt.

Frage: Wie fühlt es sich als Spieler auf dem Platz an? Sie müssen nicht mehr so oft an die Seitenlinie schauen. Guardiola hat alle paar Sekunden etwas hineingerufen, Ancelotti beobachtet meist stumm.

Javi Martinez: Ja, das stimmt (lacht). Aber jeder Trainer hat da seine eigene Art. Die Mischung macht's. Wir müssen von beiden die besten Sachen übernehmen und uns verbessern.

Frage: Was erwartet Ancelotti speziell von Ihnen?

Javi Martinez: Er hat mir gesagt, dass er mich als zentralen Innenverteidiger sieht. Weil wir auf dieser Position nicht so viele Spieler haben. Ich solle aber auch immer bereit dafür sein, auf einer anderen Position im Mittelfeld zu spielen. Das bin ich. Ich habe so viele Verletzungen hinter mir, von daher liebe ich es, auf dem Platz zu stehen. Und zwar dort, wo auch immer der Trainer mich hinstellt.

Frage: Jerome Boateng feierte gerade sein Comeback, er ist Deutschlands Fußballer des Jahres und dürfte in der Innenverteidigung gesetzt sein. Mats Hummels wurde von Borussia Dortmund zurückgeholt. Wie schwierig wird es für Sie, ihren Platz gegen das Innenverteidiger-Duo der deutschen Weltmeister-Elf zu behaupten?

Javi Martinez: Die Saison ist lang, wir brauchen mehr als einen guten Spieler für jede Position. Es wird immer wieder Ausfälle geben wie mit Mats gegen Ingolstadt wegen eines Infekts. Hin und wieder bekommt man so auch mal eine Pause. Wir alle brauchen ab und zu eine Pause.

Javi Martinez: Das Imperium ist zurück

Frage: Haben Sie als Innenverteidiger vielleicht sogar eine bessere Chance auf ein Comeback in der spanischen Nationalelf? Bei den Länderspielen im September waren sie erstmals wieder im Kader, kamen aber nicht zum Einsatz.

Javi Martinez: Wir waren 24 Spieler im Aufgebot, aber in Pflichtspielen kannst du ja nur drei Mal wechseln. Für mich war das nicht so schlimm, im Gegenteil: Ich war sehr happy über meine Nominierung. Wieder im Kreise der Nationalelf zu sein war ein großer Schritt für mich. Ich denke, dass ich meiner Mannschaft auf beiden Positionen helfen könnte. Unser neuer Nationaltrainer Julen Lopetegui weiß das, er kann ja auch Carlo fragen. Das könnte wichtig sein in der Endphase eines Turniers wie der nächsten WM.

Frage: Lopetegui hat zuvor den FC Porto trainiert, ist ein guter Freund von Pep Guardiola. Ist deren Stil ähnlich?

Javi Martinez: So ist es. Viel Pressing, viel Ballbesitz, hohe Intensität. Etwas intensiver als unter Vicente del Bosque. Man kann einen guten Vergleich ziehen. Del Bosque ist wie Carlo und Lopetegui wie Pep. Also kann ich viel von ihnen lernen, habe aber auch den besten Mix - eine perfekte Mischung. Aber auf diesem Niveau ist es für einen Spieler easy, sie machen es dir als Spieler einfach.

Frage: Wie weh hat es getan, die EM in Frankreich nur im Fernsehen verfolgen zu können?

Javi Martinez: Das war natürlich hart. Klar war ich enttäuscht. Ich wollte unbedingt bei der EM dabei sein, hatte mir aber vor dem DFB-Pokalfinale gegen Dortmund eine Knöchelverletzung zugezogen. Ich musste operiert werden. Danach habe ich alles daran gesetzt, für die neue Saison wieder fit zu werden. Mein großes Ziel ist nun die WM in Russland. Darum werde ich kämpfen.

Frage: Am 28. September geht es erneut nach Madrid. Wie im Champions-League-Halbfinale der vergangenen Saison wird Atletico Bayerns Gegner sein. Sie treffen bereits in der Gruppenphase auf den Finalisten der letzten Spielzeit – ziemlich tough, oder?

Javi Martinez: Es war das schwierigste Los, die stärkste Mannschaft aus dem zweiten Topf der Auslosung und wir haben es gezogen. Im Grunde ist es nicht normal, dass eine Mannschaft wie Atletico, die in den letzten drei Jahren zwei Mal im Finale stand, nur in den zweiten Gruppentopf eingeteilt wurde. Aber so ist es eben in der Champions League mit den besten Teams aus ganz Europa. Für uns spielt es keine Rolle, wann wir auf Mannschaften wie Atletico treffen. Denn: Wir wollen den Cup holen. Also müssen wir gegen Teams mit dieser Qualität irgendwann im Wettbewerb antreten - und wollen gewinnen.

Frage: Können die Duelle zu einer echten Revanche werden? Im Mai gab es in Spanien ein 0:1 und im Rückspiel schied Bayern trotz des 2:1 wegen der Auswärtstore-Regel aus.

Javi Martinez: Ja, das war sehr hart für uns, sehr schmerzhaft. Es ist eine gute Gelegenheit für uns, sie nun zu bezwingen, schließlich wollen wir unbedingt Gruppenerster werden. Im Fußball bekommt man oft eine zweite Chance. Die ist nun gekommen. Aber: Sie haben eine sehr starke Mannschaft, spielen auf einem hohen Level.

Frage: Mit Ancelotti gibt es für die Mannschaft auch einen neuen Input. Diego Simeone arbeitet seit 2011 bei Atletico. Für wen könnte das bei der Wiederauflage des Duells ein Vorteil sein?

Javi Martinez: Es gibt immer positive und negative Aspekte eines Trainerwechsels. Von Ancelotti können wir einen neuen Spielstil adaptieren, aber es ist noch zu früh in der Saison, erst Mitte September, um alles zu verarbeiten, was der neue Coach verändern möchte. Das braucht immer etwas Zeit, wir sind erst etwas mehr als zwei Monate im Training. Wir müssen weiter an uns im Training arbeiten, seine Ideen zu übernehmen.

Javi Martinez in Zahlen

Frage: Welche Teams sehen Sie im Halbfinale 2017: Die üblichen Verdächtigen wie Real Madrid, FC Barcelona, Atletico und Bayern.?

Javi Martinez: Die Vergangenheit sichert dir keinen Platz im Halbfinale. Wir müssen unsere Favoritenrolle auf dem Platz demonstrieren, müssen uns da beweisen – nicht nur indem wir darüber sprechen. Es sind nicht nur diese vier Mannschaften, viele andere Teams haben Chancen auf den Champions-League-Titel. Auch Manchester City mit Pep wird diese Saison sehr zu beachten sein, sie sind schon in einer sehr guten Form. Es kann aber auch immer Überraschungen geben. Oder Leicester City, die letztes Jahr die Premier League gewonnen haben. Warum sollen sie mit ihrem Enthusiasmus nicht auch in Europa für eine Überraschung sorgen können?

Frage: Wir groß ist der Hunger beim FC Bayern nach drei Halbfinal-Niederlagen nun das Finale 2017, ausgetragen in Cardiff, zu erreichen?

Javi Martinez: Ich spüre und fühle das jedes Jahr hier. Wir werden Jahr für Jahr immer hungriger, eben weil wir die Finals verpasst hatten. Aber es ist so schwierig, weil es so viele großartige Mannschaften in Europa gibt. Und was die spanischen Teams anbetrifft: Da kann ich, obwohl ich fast alle Spiele verfolge, wirklich keine Vorhersage treffen - nicht wer die Primera Division gewinnt, nicht wer in Europa am weitesten kommt.

Frage: Es gab im Sommer ein paar Gerüchte, dass Sie eventuell nach Spanien zurückkehren.

Javi Martinez: Nur Gerüchte! Es war ein langer Sommer mit wenigen Nachrichten (lacht). Ich bin sehr glücklich hier. Mit der Stadt, den Leuten, dem Verein - alles ist wunderbar. Mein größtes Ziel ist aber ein anderes: Ein Jahr ohne Verletzung, ohne größere Probleme, so dass ich so viele Spiele wie möglich machen kann. Denn meine Knie-Verletzung war wirklich ziemlich schlimm, sie hat mich fast zwei Jahr gequält. Nun hatte ich eine gute Vorbereitung und bin fit. Ich hoffe, das bleibt diesmal lange so.