Wer tritt zurück? Warum wohl Boateng, Özil, Khedira und Gomez Schluss machen

Aufhören, wenn es am Schönsten ist. Philipp Lahm teilte Joachim Löw am Morgen nach dem WM-Triumph von Rio 2014 mit, dass das Finale gegen Argentinien (1:0) sein letztes Länderspiel war. Der Kapitän ging von Bord – mit allen Ehren. Ein perfekter Zeitpunkt, aufzuhören.

Aus Russland berichtet Patrick Strasser

Mesut Özil und Jerome Boateng könnten ihre DFB-Karriere nach dem Russland-Debakel beenden.
Mesut Özil und Jerome Boateng könnten ihre DFB-Karriere nach dem Russland-Debakel beenden.

Manuel Neuer (32) hieß der Kapitän in Russland, er wird als Kapitän der Gescheiterten in die Fußball-Annalen eingehen – wobei: an ihm lag das Vorrunden-Aus nicht. Mit diesem blamablen WM-Ausscheiden im Kopf wird der Bayern-Torhüter sicher nicht aufhören wollen, zu lange hatte er sich nach seinen drei Fußbrüchen gequält, um rechtzeitig vor dem Turnier sein Comeback zu feiern.

Entscheidend wird für Neuer sein, wie sein Körper in den kommenden Jahren mitmacht. „Ich will so lange spielen, wie ich merke, dass ich gebraucht werde“, meinte er vor dem Start in die WM, schränkte aber ein: „Wenn die Spieler mir das Feedback geben, dass ich nicht mehr gut genug bin, höre ich lieber auf.“ Was sich nun keiner aus der Nationalelf erlauben dürfte.

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Das nächste Turnier hat Neuer im Blick („Ich möchte ja noch Europameister werden“), die nächste WM in Katar eher nicht: „Ich weiß nicht, ob ich 2022 noch dabei sein werde.“ Neuer wird weitermachen – doch wie sieht es mit den anderen Weltmeistern von 2014 aus? Abgesehen von Julian Draxler und Matthias Ginter, die vor vier Jahren in Brasilien zu jung und daher lediglich Ergänzungsspieler waren. Dazu kommt mit Mario Gomez (32) der älteste des WM-Kaders.

Wer macht weiter, wer hört auf?

Mats Hummels wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft für das DFB-Team auflaufen.
Mats Hummels wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft für das DFB-Team auflaufen.

Jérôme Boateng (29 Jahre/172 von 270 Minuten in Russland gespielt): Fehlte gegen Südkorea nach Gelb-Rot-Sperre, konnte zuvor nicht überzeugen. Falls er den FC Bayern diesen Sommer noch Richtung Premier League verlässt, könnte es sein, dass er sich voll auf die neue Herausforderung konzentrieren möchte und nach 73 Länderspielen Schluss macht. DFB-Adé zu 70 Prozent.

Mats Hummels (29/180): Hatte das 1:0 gegen Südkorea auf dem Kopf – vertan. Moserte und meckerte nach dem Mexiko-Spiel. Ein Mann klarer Worte, der beim einzigen Sieg gegen Schweden wegen Halswirbelbeschwerden fehlte. Der Bayern-Profi („Das ist die größte Enttäuschung meiner Karriere“) gilt als sehr ehrgeizig. Wird weitermachen. Zu 100 Prozent.

Sami Khedira (31/118): Konnte gegen Mexiko und Südkorea nie überzeugen, der Juventus-Profi scheint nicht mehr das Niveau und die Power für die Sechser-Rolle auf Weltniveau zu haben. Dürfte wohl den Weg für jüngere Kräfte wie Ilkay Gündogan, Julian Weigl und andere freimachen. Hört zu 90 Prozent auf.

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Toni Kroos (28/270): Der DFB-Spielmacher mit dem einzig lichten Moment, dem 2:1-Freistoß gegen Schweden. Sollte und wollte einer der Stars des Turniers werden, bekam viel Gegenwind nach seiner Schelte, dass die Heimat die Mannschaft zu wenig unterstützt. Macht zu 60 Prozent weiter.

Thomas Müller (28/207): Diese WM war nicht seine WM. Tauchte ab, keine Torgefahr. Sein bester Auftritt war der zwischenzeitliche Laune-Aufheller auf einer Pressekonferenz in Sotschi. Man habe „die Quittung bekommen“, sprach der Bayern-Profi. Wird weitermachen – jedoch sollte Löw oder dessen Nachfolger ihn nicht mehr auf dem rechten Flügel einsetzen. Weiter an Bord zu 99 Prozent.

Mesut Özil (29/180): Traf vor der WM den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Es hagelte Kritik, der Spielmacher von Real Madrid schwieg – auch innerhalb der Mannschaft vermisste man eine Stellungnahme. Gute Passquote, aber kein Punch. Beim besten Spiel gegen Schweden fehlt er, wurde geschont. Tritt zu 80 Prozent zurück. Dann hat er seine Ruhe.

Mario Gomez (32/88): Der VfB-Stürmer bekam den Vorzug vor Sandro Wagner, der vor der WM – vergebens – mächtig für sich Stimmung gemacht hatte. Gomez erklärte vor dem Turnier, dass er sich mit der Jokerrolle abfinden würde. Drei Mal kam er rein, nur gegen Schweden brachte dies den Umschwung. Er wird seine Nationalelf-Karriere beenden.